Blütenbiologie und Rosenzucht
– (Auszüge)
Wenn das Befruchten der Blumen durch Insekten(…) nicht zufälligerweise, sondern nach Absicht und durch die Veranstaltung der Natur geschieht (…) so verfährt die Natur, dieser Vorstellung zufolge, hierin eben so, wie ein Mensch (…)
– Sprengel, Das Entdeckte Geheimnis der Natur,
Berlin, 1793, Faksimiledruck, Berlin, 1893, S.7.
Inhalt
Ausflug in die Geschichte der Rosenzucht
(…) Die Zucht von neuen Rosensorten ist im ersten Augenschein ein recht einfaches Verfahren: zwei Elternpflanzen werden ausgewählt, die aufgrund ihrer Eigenschaften gekreuzt werden sollen. Bei der einen Elternpflanze entfernt man die Staubblätter (den Pollen oder Blütenstaub), um eine Selbstbestäubung zu verhindern, erntet von der zweiten Elternpflanze den Pollen und trägt diesen auf die Narbe der ersten auf. Der Pollenspender übernimmt die Rolle des Vaters, die Rolle der Mutter übernimmt die Rose, die den Pollen empfängt. (…) Bei der Angabe der Kreuzung steht, wie es sich gehört, an erster Stelle die Mutter, an zweiter Stelle der Vater: (…) Was in der freien Natur Insekten oder der Wind erledigen, die Bestäubung, übernehmen wir, unter kontrollierten Bedingungen und mit einem standardisierten Verfahren der Ordnung. (…)
So einfach dieses Handwerk der Rosenzucht auch erscheint: Es setzt eine gehörige Portion an Wissen voraus, angefangen bei der Kenntnis über den Aufbau der Blüten, das wir zum Beispiel unterscheiden zwischen Kronblatt (Blütenblatt) und Kelchblatt sowie zwischen Pollen und Narbe, also anatomische oder morphologische Kenntnisse mitbringen und wissen, welche Aufgaben diese Pflanzenteile haben und inwieweit sie für die Rosenzucht relevant sind; schließlich, wann der beste Zeitpunkt ist, den Pollen auf die Narbe zu übertragen, um die Befruchtung sicherzustellen. (…)
Dies mag für heutige Ohren recht banal klingen (die Sache mit den Bienen und Blumen!), ist es aber nicht, denn
Dass Fremdbestäubung und Selbstbestäubung bei Pflanzen möglich ist und wie sich das anatomisch lokalisiert, bedurfte allererst der Entdeckung und Generationen von Forschern, um diejenigen Details zu klären, die wir heute als Blütenbiologie wie selbstverständlich wissen. Der frühen Rosenzucht aber war alles dies unbekannt! Das oben beschriebene Verfahren der Zucht und der Ordnung der Neulinge war keineswegs Standard. (…) Die parallele Entwicklung der Blütenbiologie und das Einführen neuer Verfahren in der Rosenzucht macht es daher zweckmäßig, auf die Geschichte der Blütenbiologie einzugehen. Denn schauen wir uns diesen Zusammenhang an, wird es deutlich, wie schwer es ist, von den Anfängen bis heute eine einheitliche Ordnung in diese Sorten-Vielfalt der Rose zu bekommen, die damals entstand und über die wir heute verfügen.
Blütenbiologie, Rosenzucht und die Entwicklung neuer Verfahren
(…) In den ersten Schritten der Rosenzucht – etwa ab Mitte/Ende 18. Jh. – legte man bei der Zucht neuer Sorten offenbar keinen Wert darauf, zu dokumentieren, welche Elternpflanzen die neue Rose hervorgebracht hatten. (…) Man fußte die Rosenzucht auf gemachte, praktische Erfahrungen und war zuversichtlich Ziel orientiert: Rosen, die man wegen ihrer Eigenschaften miteinander kreuzen wollte, wurden zusammengepflanzt, gelegentlich die jeweiligen Blühtriebe enger zusammengebunden und den Rest überließ man der Natur. Wichtiger erschien es, dass am Ende unter tausenden von Sämlingen eine brauchbare Sorte sich zeigte. (…) Dieses Verfahren war etwa bis Mitte/Ende 19. Jh. gängige Praxis und die verstreuten Einzelkenntnisse über Befruchtung und Vererbung spielten in den damaligen Verfahren der Rosenzucht kaum eine Rolle. (…)
Dass der französische Rosengärtner André Dupont (1756–1817) und sein Landsmann Jacques-Louis Descemet (1761–1839) schon um die Jahre 1800 herum Handbestäubungen vorgenommen haben sollen, ist nur mit Einschränkung zu verstehen. (…)
Die frühen Arbeiten von R.J. Camerarius, De sexu plantarum epistula, 1694 und von J.G. Kölreuter, Vorläufige Nachricht von einigen das Geschlecht der Pflanzen betreffenden Versuchen und Beobachtungen[1] entdeckten zwar früh die Sexualität der Pflanzen und Kölreuter beschrieb, wie er im Jahre 1759
vermittels eines zarten Pinsels (…) Samenstäubchen
auf die Narbe der Hibise. Manih. Linn.
(Hibiscus) auftrug.[2] Kölreuter erzeugte sogar Hybriden mehreren Grades und entdeckte, dass beim Auftragen fremden und eigenen Pollens bevorzugt der eigene Pollen befruchtend wirkt (Selbstbestäubung).
Blütenbiologie aber im heutigen Sinn finden wir bei diesen Pionieren nicht. So folgerte Kölreuter aus seinen Experimenten, dass Bastarde in der freien Natur wohl fehlen, obgleich sie doch künstlich erzeugt werden können, weil sie in der freien Natur keinen Bestand hätten. (…)
Die Hybridisierung der Wildrosen aber belehrt uns heute eines besseren. (…)
Beachtung fanden diese Arbeiten ohnehin kaum. Ebenso wenig die Arbeiten, welche verstärkt die Bedeutung der Fremdbestäubung in der Natur erforschten, etwa durch Köpfe wie Sprengel:
Das entdeckte Geheimnis der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen
[3]
Sprengels Verdienst besteht in der Entdeckung der Koexistenz von Blume und Insekt, weit über Kölreuter hinaus, und in der Entdeckung von Genen der Blume, welche durch das Insekt über weite Entfernungen hinweg ausgetauscht werden. Sprengels Arbeit ist gar nicht genug zu würdigen und so gilt er als Begründer der Blütenbiologie. Gen war für ihn freilich noch kein Begriff und frei von teleologischen Interpretationen war auch Spengler nicht: die filigrane Pflanzenstruktur selbst und die Vermehrung müsse doch das Werk eines Schöpfers sein. (…) Dennoch waren seine Gedanken für seine Zeit revolutionär. Ein Auszug aus seinem Werk[4]:
Meine Untersuchungen überzeugten mich immer mehr davon, daß viele, ja vielleicht alle Blumen, welche Saft haben, von den Insekten, die sich von diesem Saft ernähren, befruchtet werden (…) [ebd. S. 2]
[Und dies, die Befruchtung durch Insekten] (…) scheint mir einen von den bewundernswürdigsten Veranstaltungen der Natur zu seyn. [ebd. S. 21]
[Zu Dichogamie[5] und Fremdbestäubung:] (…) so scheint die Natur es nicht haben zu wollen, daß irgendeine Blume durch ihren eigenen Staub befeuchtet werden solle. [ebd. S. 43]
[– Die Selbstbestäubung (Kölreuter) geriet etwas aus dem Blick.]
Anlass für Missverständnisse?
Die in den 1860er Jahren gemachten Untersuchungen über die Weitergabe von Merkmalen bei Pflanzen durch Gregor Mendel wurden erst gegen Ende des 19. Jh`s. wiederentdeckt und in deren Bedeutung allererst erkannt. (…) Bei seinen Zeitgenossen fand auch Mendel keine nennenswerte Beachtung! Mendel selbst verfügte auch nicht — ähnlich wie Sprengel — über allgemeine begriffliche Grundlagen für seine induktive, statistisch auswertende Vorgehensweise: Gen oder Chromosom waren ihm unbekannt. (…) Eine Zusammenschau gar einzelner Untersuchungen anderer Forscher fehlte. Es waren Pionierarbeiten der biologischen Forschung und der wissenschaftlichen Terminologie. (…)
Darwins Untersuchungen zur Blütenökologie etwa ab den 1865 Jahren griffen die Thematik Sprengel auf, rund 70 Jahre später. Sprengels Arbeiten müssen Eindruck gemacht haben, enthält Sprengel doch einige der wesentlichen Grundzüge des Gedankengebäudes Darwins. So schreibt Sprengel in seiner Einleitung Gedanken nieder, die zweieinhalb Generationen später von Darwin selbst hätten stammen können:
Ich beweise nemlich, daß (die Früchte von Blumen) so eingerichtet sind, daß (…) die Natur ihren großen Endzweck erreicht, nemlich die Erhaltung der Arten, und die Vermehrung der Individuen jeder Art. [sic!] [7]
Die Untersuchungen von H. Müller (1829–1883, Die Befruchtung der Blumen durch Insekten und die gegenseitige Anpassung Beider, Leipzig, 1873), berücksichtigte schon Darwins Entstehung der Arten
(…)
Allgemeines Bildungsgut aber waren alle diese Arbeiten nicht, wenngleich sie in einer fachlich interessierten Bildungsschicht durchaus mehr und mehr diskutiert wurden und bekannt waren. (…) Paul Knuth (1854–1900) fasste in seinem Handbuch der Blütenbiologie, Leipzig 1898, die verschiedensten Arbeiten seiner Zeit erstmalig zusammen. Sein Handbuch wurde zum ersten Lehrbuch der Blütenbiologie. Die ungeschlechtliche Fortpflanzung (sogenannte Apomixis), bei der die Nachkommen genetisch identisch mit den Eltern sind, fehlt allerdings auch dort und die Fremdbestäubung wurde zu Ungunsten der Selbstbestäubung überbetont – wohl in Anlehnung an Darwins vermuteten Gesetz, dass eine Fortpflanzung allein durch Selbstbefruchtung bei Lebewesen nicht möglich sei.
Die Untersuchungen von H. Müller[9] (1829–1883) berücksichtigte schon Darwins Entstehung der Arten. (…)
Obgleich die künstlich erzeugte Befruchtung einer Palme durch J.G. Gieditsch sogar für das Jahr 1749 belegt ist[10] und die erfolgreichen künstlichen Bastardirungen durch Kölreuter (um 1766), Sprengel (1793) (u.a.) veröffentlicht und damit theoretisch zugänglich waren, wurde die väterliche Rolle bei Rosen – der Pollenspender – weiterhin bis Mitte 19. Jh. als untergeordnet, zweitrangig, als weniger wichtig angesehen (…). Allgemeines Bildungsgut waren solcherart Feldexperimente früher botanischer Forschung nicht (…)
Das dieses frühe Wissen der Blütenbiologie kaum in der Rosenzucht adaptiert wurde, zeigt exemplarisch die Rosenzucht des Franzosen Jean Pierre Vibert (1777–1866), einer der größten Rosensammler, gewiss ein Ausnahmezüchter und wohl einer der besten Rosenkenner seiner Zeit. Vibert schrieb (um 1835) an einen Rosenfreund, er plane die Aussaat von einigen hundert Tausend Sämlingen,
welche er alleine aus der Kreuzung von Remontant-Rosen gewonnen habe. (…) Die Menge an Sämlingen heutiger großer Rosenhäuser beträgt etwa 200–300 Tausend pro Jahr und umfasst als Ergebnis gezielter Befruchtung dabei mehrere, verschiedene Rosenklassen. Ein sehr arbeitsintensives Feld, was Vibert damals alleine für eine Rosenklasse plante! Wir finden auch bei dem Rosenkenner Vibert keine künstliche Bestäubung der Rose als standardisiertes Verfahren, auch wenn Handbestäubung
schon Praxis gewesen sein mag und verschiedene experimentelle Arbeiten durchaus schon früh verfügbar gewesen wären. (…)
Rosenzucht geschah auf freiem Feld aufgepflanzter Elternrosen, wobei Fremdbestäubung durch den Pollen einer dritten oder vierten Rosensorte, z.B. durch Insekten, und Selbstbestäubung nicht, wie es heute Pflicht ist, stets verhindert wurde, so dass die Ergebnisse – die neuen Rosen als Genotypen – oft genug uneindeutig blieben. (…)
Die Sämlinge wurden nach angelegten Gütekriterien selektiert, getauft und letztlich als neue Rosensorte vermarktet. (…)
Der Einfluss der antiquierten Verfahren
[11] der Rosenzucht auf die Ordnung der Rose – bis heute
Durch die teils unbekannte oder doch uneindeutige Herkunft ließen sich die Sorten schwerlich eindeutig klassifizieren, zumal ein verbindliches Klassifikationssystem noch weniger als heute im Gebrauch war. (…)
Viele dieser Neulinge wurden im Verlauf ihrer Kultur mit unterschiedlichen Namen (Synonyme) gehandelt und die Klassenbegriffe, wie die Rosenklasse der Remontant-Rosen oder der Hybrid Tea (Edelrosen),
formten sich allmählich erst heraus, so dass Rosen, die schon auf dem Markt waren, erst im Verlauf ihrer Kultur den neuen Klassen zugeordnet wurden. (…)
Bis in die heutigen Tage rätseln Rosenfachleute über die Identität zahlreicher Sorten und die Angabe Eltern unbekannt wird uns wohl auch in Zukunft bei der Recherche rund um die Rose begleiten (…)
Auszüge aus dem Leben eines Rosenzüchters — Henry Bennett
In Bezug auf die Rosenzucht selbst bieten Auszüge aus dem Leben des Engländers Henry Bennett ein beeindruckendes Beispiel, auf welchen mitunter steinigen Wegen frühe wissenschaftliche Einzel-Erkenntnisse Einfluss auf unterschiedlichste Lebens- und Arbeitsbereiche gewannen und sich Schritt für Schritt durchsetzten. (…)
Bennett, von Haus aus Landwirt und Viehzüchter, recht vermögend und zuhause in Stapleford, nahe Salisbury, Großbritannien, war ein vorbildlicher Quereinsteiger der Rosenkultur. Auf der Suche nach alternativen Einkommensquellen seiner Landwirtschaft –
wir würden heute von Produkterweiterung sprechen – lies er sich geleitet von der Liebe zur Rose zwar als erwachsener Mann von seinem Landsmann John Keynes noch traditionell in Gartenbau und in die Rosenvermehrung ausbilden, doch seine ersten,
eigenen Zuchtbemühungen um 1865 waren auch nach dieser Ausbildung wenig erfolgreich. Und wie so oft in der Geschichte: Quereinsteiger sind bewegliche Köpfe, was sich auch bei Bennett bald zeigen sollte.
Seine Misserfolge nahm er zum Anlass, sich weiter umzutun, nach Möglichkeiten zu suchen, sich fortzubilden und schließlich zum Erfolg zu kommen. (…) Frankreich war im 19 Jh. eine, wenn nicht die Hochburg der Rosenzucht. (…)
Man durfte sich erhoffen, von den Franzosen einiges lernen zu können! So kam es zu der Reise von Bennett in den Jahren 1870–72 nach Frankreich. Bennett suchte einige der wichtigsten Rosenzüchter Frankreichs auf. (…)
Jedoch staunte er über die auch in Frankreich wie in Großbritannien gleichermaßen antiquierten
Verfahren der Rosenzucht und bemerkte schon zu Beginn seiner Rundreise die Notwendigkeit, neue Wege einschlagen zu müssen, wenn die eigene Rosenzucht frei von Glück und Zufall gelingen sollte. Am besten lässt man diesbezüglich Bennett selbst zu Wort kommen:
Im Jahre 1870 besuchte ich die Rosenschulen in Lyon, aber nirgends war ein Fortschritt in den wissenschaftlichen Mitteln bei der Kreuzung der neuen Rosen zu entdecken. Jean Sisley [1804–1891, Gartenbauer und Rosenfreund in Lyon; Geranienzucht; Anmerkung v. mir] beklagte wiederholt, dass er seine Kollegen in Lyon umsonst auf die künstliche Befruchtung aufmerksam gemacht habe. Bei allem scharfen Beobachten sah ich, dass die neue Sämlingszucht in Frankreich etwa gleich war mit der Rinderzucht auf den Prärien Mexikos, es war alles sich selbst überlassen, und nur das beste der Naturprodukte wurde ausgewählt. Diese Beobachtung machte mich sicher, dass hier noch ein weites, unbearbeitetes Feld vor mir lag.[12]
In der Rinderzucht war es damals schon üblich, Elterntiere mit gewünschten Eigenschaften gezielt auszusuchen und die von Bennett erwähnte künstliche Befruchtung
anzuwenden und er regte an,
dieses ihm als Landwirt bekannte Verfahren auch in der Rosenzucht zu verwenden, was zunächst wenig auf offene Ohren seiner Zeitgenossen stieß. (…) Bennett jedoch war auf dem richtigen Weg: aktuelle Erkenntnisse aus Wissenschaft und Forschung für das eigene Gebiet – nun der Rosenzucht – fruchtbar zu machen. (…)
So führte er ein: die Angabe des Namens der ausgewählten Elternpflanzen (…), ferner die Mutterpflanze als Maßgabe für die Zuordnung der neuen Rose in eine Klasse, aber auch Verfahren, die Rosenzucht vom Freiland ins Gewächshaus zu verlegen, um die Blütezeit zu verfrühen und zu verlängern sowie Verlust zu minimieren, die Möglichkeit schließlich, nicht nur gezielt einzelne Eigenschaften zweier Sorten zu berücksichtigen, vielmehr den Stammbaum der Sorten, da viele Eigenschaften erst in der dritten Generation wieder zum Vorschein kommen, was den heutigen Gesetzen der Vererbung entspricht. (…)
Trotz herber Kritik an diese Verfahrensweise durch seine Zeitgenossen, die etwa nicht glauben mochten, dass eine im Gewächshaus gezüchtete Rose auch eine gute Gartenrose sein könne, hielt der Quereinsteiger an seinem Verfahren fest und brachte alsbald eine Vielzahl bis heute gern kultivierter Rosen hervor:
‘Duchess of Westminster’ (1879), ‘Lady Mary Fitzwilliam’ (1882), zugleich eine wichtige Elternsorte der beliebten ‘Mme. Caroline Testout’, ‘Mrs. John Laing’ (1887) (…). Bennett hatte Erfolg! Er selbst benannte seine Rosen mit Pedigree Hybrids of the Tea Rose
;
eine Umschreibung, die später von der Horticultural Society of Lyon in Frankreich als Hybrid Tea, Teehybride, unter Mitwirkung von Bennett, zusammengefasst wurde. (…)
Es dauerte freilich noch einige Generationen von Rosen, bis sich diese Verfahren in der Rosenzucht allmählich verfeinerten und allgemein sowie endgültig durchsetzten. Denn bis Anfang 20 Jh. waren die alten Methoden über Bennett hinweg weiterhin Praxis.
Jean-Baptiste André (fils) Guillot züchtete seine weltberühmte Sorte und Edelrose ‘La France’ 1867 – zeitlich kaum vor Bennett – noch in althergebrachter Weise und hielt daran fest bis zu seinem Tode im Jahr 1893.
Er stand damit ganz in der Tradition seines Vaters. Guillot spätere Züchtungen aber konnten an der Erfolgsgeschichte von ‘La France’ nicht anknüpfen und fanden kaum mehr Anklang. (…)
Dauerhaft zu ignorieren oder gar aufzuhalten war die Vorgehensweise von Bennett nicht!
Köpfen und Handwerkern wie ihm verdankt die Rosenzucht und gleichermaßen die Ordnung der Rose viel. (…) Bennett starb 1890 im Alter von 67 Jahren. (…)
Bennett – und die Entwicklung der Rosenzucht heute?
(…) Heute sind die Grundlagen dieses Querkopfs allgemeine Grundlagen der Rosenzucht. Die Rosenzucht im Gewächshaus unter kontrollierten Bedingungen ist Standard. Der Computer ist als Werkzeug hinzugekommen und es werden komplexe Analysen von Stammbäumen vorgenommen,
Fremdbestäubung betont ausgeschlossen und Sämlinge aus Kreuzungen kultiviert, die ausschließlich der Zucht dienen und ganze Zuchtlinien bestimmen aber als Rose keinen Eingang in den Verkauf finden, sondern gehütet werden wie eine schmackhafte, geheime Rezeptur eines Nahrungsmittels. (…)
Rosenzucht aber ist und bleibt trotz aller technischen Hilfsmittel und fundierter Kenntnisse der Vererbung bis heute Handwerk, das seinen Werdegang innovativen Köpfen wie Henrik Bennett (…) verdankt, die zwar das Verfahren der Rosenzucht verfeinerten und auf solide Füße stellten
sowie neue Grundlagen für die Klassifikation der Rose schufen, die Natur aber nicht ausschlossen, sondern Erkenntnisse über die Natur in praktische Verfahren übersetzten. (…)
Es bleibt zu hoffen, dass diese handgemachte Rose, bei der die Natur als Zufallsgenerator weiter mitwirkt, die Regel bleibt. Denn es graust mir doch vor der Vorstellung, die heutige Genetik und unsere technischen Möglichkeiten könnten uns eines Tages dazu verleiten, unsere Kuturrosen am Reißbrett ausschließlich nach unseren Maßgaben und Wünschen zu erzeugen, wie es im Nahrungsmittelbereich schon versuchte Praxis ist (Präzisionszucht von Mais oder transgene Soja- und Weizensorten). Eine vollkommene Entschlüsselung des Genpools der Rose ermöglichte einerseits eine Überprüfung und Neuordnung der Rosen auf wissenschaftlich exakten Grundlagen. Bei einigen strittigen Sorten wurde die Analyse der Gene für die Neueinordnung schon bemüht. (…) Diese umfassende Eindeutigkeit im genetischen Detail eröffnet anderseits gewiss auch neue Wege der Rosenzucht. Präzisionszucht bekäme als Begriff ein anderes Gewicht und die transgene Rose – etwa zunächst im noble erscheinenden Anspruch, Krankheits-Resistenzen züchten zu wollen – geriete in den Raum des (scheinbar) Möglichen. Jedoch erscheint mir dieser denkbare Weg nicht nur eine Entzauberung der Rose mit einzuschliessen! Verlören wir für die Kultur der Rose nicht mindestens die Inspirationsquelle des Zufalls, der allen Neuankömmlingen der Zucht heute immer noch eigen ist? Die Natur erscheint mir da stets weitsichtiger, innovativer, der bessere Schöpfer zu sein als ein noch so kreativer, marktorientierter Kopf am Genpool der Rose. (…) Wenigstens sind heute die Anstrengungen groß, die genetische Vielfalt zu bewahren, indem alte Sorten (kostenintensiv) vermehrt und erhalten werden, obgleich diese Rosen aktuell keinen Marktwert mehr besitzen mögen und deren Zuordnung oft uneindeutig bleibt. Das Europa-Rosarium Sangerhausen steht diesbezüglich stellvertretend für alle Rosengärtner, die sich dieser Aufgabe widmen. (…)
Die Ordnung der Rose und die Rosenzucht werden gewiss in Zukunft neue Wege einschlagen, die auch uns Rosengärtner/-innen auffordern, mitzudenken, was wir pflanzen und kultivieren wollen – und welche Namen wir den neuen Kindern geben sollen …
Siehe Linkliste und Kommentar zu Gentechnologie im Zierpflanzenanbau. [Beitrag: „Der Duft der ›Alten Rosen‹“ – Werbelatein und Gentechnologie bei Rosen. Sprung zum Absatz.]