Ein Teufelchen der Typografie
Die Schrift Verdana und die Anführungszeichen
Verdana ist eine der am häufigsten verwendeten Schriften im Web. Insoweit Sie die Schrift dieser Webseiten via Einstellung Ihres Browsers nicht verändert haben, sehen Sie vermutlich das erste Kapitel dieser Seite in Verdana. Ich mag diese Schrift im Web lesen.
Schreiben Sie in Verdana deutsche Anführungszeichen oder versuchen Sie, englische einfache Anführungszeichen zu schreiben, erleben Sie eine Überraschung. Das zweite Anführungszeichen existiert nämlich unter Verdana nicht, es ist bloß ein Spiegelbild des ersten. Hässlich und typografisch eine Katastrophe.
Jedoch kann man in Verdana französische Anführungszeichen in einem deutschen Fließtext setzen, es ist erlaubt: „einfache“ und „doppelte“. Man könnte auch deutsche Anführungszeichen „schreiben“, wie man sieht. Wie man aber auch sieht: Die deutsche Variante sieht in dieser Schrift „exotisch“ aus. Die englischen (und amerikanischen) Varianten auch, was aber hier nicht ‘Thema’ ist …
Rosen sind das Thema. Und genau hier liegt das Problem. Sortennamen werden fachlich korrekt in einfache Anführungszeichen gesetzt, in englische einfache Anführungszeichen wohlgemerkt.
In Verdana nicht möglich. Entweder also lässt man diese Anführungszeichen (fachlich inkorrekt) weg oder wählt eine andere Schrift aus.
Bitte? Arial oder so? Also ehrlich, nö! Wählt man Verdana, pfuscht man halt, spätestens wenn es an die Anführungszeichen geht. Ich habe letzteres bei einem Entwurf dieser Website gemacht, schön gepfuscht – und hier, exemplarisch auf dieser Seite.
Rosa canina 'Tomentella' (er)scheint richtig. Erster Teil kursiv, Sortenname in 'Anführungszeichen'. In Wahrheit aber sind es keine Anführungszeichen, sondern
das typografisch sinn-freie Zeichen ('), das gerne auch mal für ein Apostroph (’) herhalten muss …
In Verdana sehen Sie überhaupt keinen (nennenswerten) Unterschied. Dieser Tüd(d)elkram sieht dann irgendwie stets gleich aus.
Ändern Sie jedoch die Schrift dieser Beispiels-Seite, erkennen Sie sofort die typografischen Besonderheiten und Feinheiten: die Form einer 9 beim Apostroph und die Form 6-9 beim öffnendem und schließendem englischen Anführungszeichen, die Form 99-66 beim deutschen Anführungszeichen … und den ganzen Rest.[*]
[*] Die Typografen im Netz sind offenbar uneins, ob „99(Bindestrich)66“ (Duden) oder „99(Gedankenstrich)66“ (Wikipedia) richtig ist.
Für das Web geeignete Schriften?
Es gibt eine Vielzahl von Schriften. Glaubt man aber den Statistiken der Verbreitung von Schriftarten im Web, bleiben eine Handvoll über, die man mit relativer Wahrscheinlichkeit nutzen kann, wenn man zum Ziel hat, dass die gewählte Schrift in den Browsern dieser Welt auch einheitlich dargestellt wird. Verdana gehört zu dieser Handvoll. Eine Frage des Designs.
Seitenbetreiber können zwar mehrere Schriften alternativ zur bevorzugten Schrift angegeben. Letztendlich aber entscheidet der Nutzer und sein „System“. Der Designerwille ist im Netz nicht absolut, das ist positiv zu werten.
Insbesondere dann, wenn Anführungszeichen Teil des Inhaltes sind, jedoch vom Seitengestalter missachtet werden durch die Auswahl ungeeigneter Schriften; zum Beispiel Verdana.
Grundsätzlich mag man denken: Lesbar sollte die gewählte Schriftart sein, den Regeln der Sprache(n) genügen und den lesenden Menschen nicht ermüden.
Leider ist es so nicht definiert.
Ausgerechnet der ehemaligen Verbreitung des „Internet Explorer“ (IE) verdanken wir auch die Verbreitung der für das Web ansonsten schönen Schrift Verdana. Dieser Browser zeigt bis heute die meisten Probleme mit Tüddelchen (norddeutsch für „Tüttelchen) aller Art. Niemand aber kann ernsthaft wieder einmal erkunden wollen, wie diese IE-Varianten es handhaben …
Berechtigter Spott
Bald typisch, dass eine unfertige, nur mit Tricks zu nutzende Schrift namens „Verdana“ vom leider immer noch omnipräsenten Kasperle-Haus Mircosoft einst via einem Marktanteil von bummelig 90% und irgendeinem kaputten ‘IE’ samt 12px-Arial-Minuskel ins Netz geschmissen und markenpolitisch „Standard“ wurde.
Passt schon!
Links zu diesem Thema:
- Anführungszeichen in der Wissenschaft; nicht nur meine Rosen-Kollegen sehen es mitunter noch gelassener als ich.
- Apostroph, wie sieht es aus und wann wird es eingesetzt? Der Duden sieht beim Genitiv von Eigennamen Ausnahmen, weitere Beispiele nennt „Typofacts“.
- Verdana, umfassende Infos über die Eignung von Schriften (im Web, im Druck, in den verschiedenen Sprachen) sind nicht leicht zu finden.
- Heckmeck, typografische „Todsünden“, „kaputte Schriften“ und zarte Resignation.
- Allerlei über Striche, Punkte, Zeichen; gewisse Empfehlungen, die sich mitunter auch der Praxis beugen, etwa bei dem „Auslassungszeichen“ (…). Statt … (oder …), warum nicht einfach ...? Also, drei mal „Satzschlusspunkt“ (Duden) schreiben, es zeige im Ergebnis fast dasselbe. Wie ScreenReader damit umgehen, habe ich vergessen zu erfragen …
- Typolexikon.de, von Wolfgang Beinert – fachlich hochwertig, engagiert – und gänzlich frei von unmerklicher Kommerzialisierung …
Das Auslassungszeichen
Ich verwende es gerne und häufig. Es macht eine Pause im Lesefluss … regt zum Nachdenken an … und bei Auslassungen im Zitat ist es ohnehin Pflicht. Sehr hilfreich als Zeichen, das eben nicht identisch mit drei Punkten gedacht wird.