Kleine »Elementen-Lehre«
Wenn Sie zu lesen bekommen
»Früchte rauben der Rose Kraft – wegschneiden!«
fragen Sie sich, ob es nicht auch bei Obstgehölzen besser wäre, diese kraftraubenden Früchte zu entfernen …
Sagen Sie sich indessen
Rosen sind Obstgehölze. Wenigstens der Botanik nach: Apfel, Kirche, Pflaume sind Rosengewächse.
Nun blüht ein Apfelbaum nicht öfter. Gott sei Dank! Noch nicht einmal Nachblüten zeigt er!
Rosen indessen sollen »ständig blühen«?
Wenn Sie zu lesen bekommen
»Für den zweiten und dritten Flor, schneiden Sie Verblühtes stets ab«
Fragen Sie sich, wie Ihre Rose ausschaut nach diesen empfohlenen Schnitten: im Frühjahr, im Sommer, im Spätsommer und Herbst.
Vergleichen Sie diese Bilder der Rose mit den Bildern eines Apfelbaums in der Saison.
Diese Kulturform der Rose nennen wir einmal »Stubben-Kultur«: Rosen ohne Köpfe im Mai, im Juli, im September …
Ziemlich schmucklos und recht langweilig.
Struktur im Garten sieht anders aus.
Wenn Sie zudem zu lesen bekommen
»Einmalblühend«
Sagen Sie lieber zu diesen Gehölzen »frühblühend« oder »sommerblühend«, wenn der Flor halt einmal in der Saison im Frühjahr oder im Sommer erscheint.
Fragen Sie sich einfach, was ein Apfelbaum und Ihre Rosen im Garten denn ansonsten noch so können, außer zu blühen.
Eine früh blühende Rose im Mai … eine üppig blühende Rose im Sommer …
Im Herbst Laubfarben und Früchte …
Ihr Garten braucht nur diese zwei Rosen, um über die Saison zu blühen und zeitgemäß schmuck zu sein.
Seltsame Sichtweisen, Lehren und Vokabeln der Rosenkultur
»Schneiden Sie, schneiden Sie, schneiden Sie – Früchte rauben der Rose Kraft – diese Rose ist ›nur einmalblühend‹«?
Es klingt bald so, als ob ich »einmal blühende Rosen« jedes Jahr neu pflanzen müsste: »ein Mal blühend«! Dann stirbt sie dahin? Wie eine Wüstenblume …
Und: »Früchte rauben den Rosen Kraft – wegschneiden!«
Es klingt, als ob die Rosenfrucht Fremdes sei, etwas, was die Rosen schwächt, gar krank macht und sie sterben ließe … Wie eine Sommerblume …?
Schönheit im Garten, so hofft man, sei dann doch etwas anderes als diese latent drohende »Sterbekultur«. Also doch: schneiden, schneiden, schneiden, für »starke« Pflanzen und ein »Öfterblühen«!
Sagen Sie sich indessen
Früchte gehören zum Rhythmus der Rose. Ob früh blühend, im Sommer blühend oder wiederholt blühend: Ich lasse der Rose ihre Früchte!
Früchte?
Manche Rosen zeigen Früchte und Nach-Blüten zugleich. Solange Sie nichts wegschneiden.
Vergleichen Sie dieses Verhalten mit einem Apfelbaum …
Manche Rosen sind überzüchtet, im Kern steril, sie zeigen keine Frucht mehr. Deren Bild ist schneiden, Blüte, schneiden, Blüte, Winter. Langweilig.
Einen sterilen Apfelbaum pflanzen Sie mal besser nicht!
Seien Sie ein umsichtiger Gärtner, eine umsichtige Gärtnerin – und lassen Sie Ihre Rosenschere einmal Rost ansetzen.
Pflanzen Sie eine fruchtbare frühblühende, eine lebendig fruchtende spätblühende Rose, also reich blühende, gut fruchtende Rosen, die einen hübschen Habitus zeigen, möglicherweise gar Herbstfarben im Laub und meinetwegen ihre Nachblüten im Spätsommer.
Wie bei den rosenverwandten Gehölzen: Die Rose
als zeitgemäßes Vergnügen – im Frühjahr, im Sommer, im Herbst.
Über die gesamte Saison …
Mitunter auch im Winter noch schmuck!
Wartezeiten
»Öfterblühend« ist mitunter nur eine andere Vokabel für ungeliebte, wenngleich hoffnungsfrohe Wartezeiten: In der Schlange beim Bäcker stehen, an der Reihe sein, das gewünschte Brot kaufen, essen, wieder in die Reihe stellen, warten, bis man an der Reihe ist, Kuchen kaufen, essen …
»Öfterblühend« ist ein Traum der Züchter, der immer dann favorisiert wird, wenn das Ergebnis der Zucht ansonsten nichts mehr kann.
Uniformes Laub. Zeitraubendes Blühverhalten am Ende irgendwelcher Triebe. Geradezu trostloser Habitus über die Saison hinweg.
Im Wonnemonat: Stubben schneiden an einem Gehölz …
In der Hochsaison: Stubben schneiden für den Folgeflor …
Im Herbst und Winter: Stubben …
Gartengestaltung mit Gehölzen sei etwas anderes …
Saisonale Freude im Garten ohne Wartezeiten auch …
Die Rose in meinem Garten ist ein Gehölz …
Gehölz-Lehre »Rose«
Schön zu sehen.
Sagen Sie sich
Eine nicht bestäubte Blüte stirbt schlicht und unerfüllt am Strauch, welkt, wird braun, fällt tot herab. Eine bestäubte Blüte indessen erfüllt den Garten: in einer reifenden Frucht.
Schneiden Sie nichts weg, was zum Leben der Rose gehört.
Früchte sind die Schatzkammer der Natur und des Gartens.
Und die Blüte? Sie steht im Dienst dieser, ihrer Frucht …
Es zu sehen, sei schön …[1]
[1] Frei nach Otto Julius Bierbaum, Sub rosa veneris, VI
aus: Irrgarten der Liebe (…) Die Welt verstehn … heißt Schönheit genießen.