Wenn nicht immer der Anspruch durchklänge, das Ältere stets besser machen zu wollen – anstatt das Neue einfach nur gut – wäre mir diese Klasse und deren zeitgenössischen Vertreter gleich ein gutes Stück sympathischer. Moderne Rosenzucht erinnert etwas an Waschmittel- oder anderweitiger Werbung: Noch reiner, noch weißer – so sauber wie nie. Irgendwann, so ist zu befürchten, wird’s so rein werden – dann ist die Wäsche weg …
Die „Modernen“ Rosensorten selbst freilich können für diesen etwas dümmlichen Ehrgeiz neuzeitlicher Rosenkultur nichts.
Und Sangerhausen war eine prima Gelegenheit, auch dieser „Moderne“ unvoreingenommen – gleichsam Rose für Rose – zu begegnen.
Wir fanden ältere Sorten aus den 20er bis 60er Jahre von ihrer besten Seite und wunderten uns, dass diese schönen Rosen nicht oder kaum mehr im Handel vertreten sind. Gewiss, das Neue erwirtschaftet mehr und hielt die Rosenwelt immer schon in Bewegung. Die älteren Sorten, die wir fanden, verdrängten halt zu ihrer Zeit noch ältere Sorten – und obgleich die viel gepriesene Moderne immer schon die Rosenwelt begleitete, ungeachtet der Epochen und Geschmäcker, die man in der Geschichte der Rose sehen mag.
Liebhaber des Älteren: Die gab es auch immer schon. Rosenliebhaber halt. Mitunter etwas verklärt, meist jedoch mit einem gesunden Geschmack und kulturgeschichtlichen Bewusstsein. Wie dem auch sei: Wir sind mit dem Vorsatz nach Sangerhausen gefahren, ältere „Moderne Sorten“ zu entdecken; wenn Sie so wollen: wieder zu entdecken. Und siehe da, wie nicht anders zu erwarten, wir wurden fündig …
Weitere „Moderne Strauchrosen“ – oder was?
Sangerhausen ist ein geschichtsträchtiger Ort. Ich habe lange hin und her überlegt, welche Rose(n) ich hier für den Einstieg auswählen sollte. Der Name ‘Deutsches Danzig’ dieses obigen hübschen kleinen Röschen war entscheidend. Er führt auf eine Reise von Sangerhausen tief in die Geschichte Deutschlands nach der polnischen Stadt Gdańsk, dem ehemaligen Danzig. Und in die Geschichte der „Modernen Strauchrose“, wenngleich nicht zu den Anfängen. Und mit dem hier einmal mehr gemachten Hinweis, dass es diesen Ordnungsbegriff zur Zeit Lambert nicht gab.
Was den gebürtigen Trierer Lambert (1859–1939) bewegte, im Jahr 1935 ausgerechnet diesen Namen für einen roten „Kleinstrauch“ auszuwählen, mag ein anderer ergründen. Mir gefiel jedoch der Gedanke, diese vielbemühte „Moderne Rose“ einmal nicht mit einer Definition einzuleiten – oder mit einer Sorte, die mir schlicht gefällt und gar als „Klassiker“ herhalten müsste. Sondern mit dieser kleinen, geschichtsträchtigen „Polyantha“ von einem Züchter der ersten Stunden früher „moderner Strauchrosen“; hier einmal den Begriff „modern“ aus der Sicht der Zeit Lamberts verwendet. Denn „modern“ dürfte dieses Röschen ihm und seinen Zeitgenossen gewiss erschienen sein.
Lambert war Mitbegründer des Vereins Deutscher Rosenfreunde (VDR) [gegründet 1883, seit 2007 Gesellschaft Deutscher Rosenfreunde e.V.] und in seiner Vereinstätigkeit Anreger für die Gründung eines (vereinseigenen) Rosarium mit dem Ziel, Rosen zu sammeln und zu bewahren sowie letztendlich die Vielfalt der Rose der Öffentlichkeit anschaulich zu machen [1887/88]. Den geeigneten Standort für dieses Projekt fand der VDR in einer Freifläche oberhalb des Stadtparks Sangerhausen [öffentlich zugänglich und Eröffnungsfeier 1903]. Das Rosarium Sangerhausen war geboren.
Lambert war in der Zielsetzung seiner Rosenzucht zugleich entscheidend daran beteiligt, was heute bald selbstverständlich erscheint und heutzutage wohl auch besonders an Rosen geschätzt wird und sie – in einem gewissen Sinn irreführend – als „modern“ bis heute zu charakterisieren scheint: Eine wiederholte Blüte im Jahr.
Zum Rätseln
Foto 1 und 2: ‘Průhonice’ – Vecera, L. 1973, Str., laut Sangerhausen. Ein Anbieter aus der Tschechoslowakei zeigt eine andere Rose; ebenso HelpMeFind.
Foto 3 und 4: Mpagaxeredco, Lens-Roses. So weit Sangerhausen.
Foto 5: Rosa filipes REHD. ET WILS. x Violet Hood (Lens, L. 1975), Lens, L., Sortenschild Sangerhausen. (Sorte unklar, s. unter Moschata-Hybride.)