Pionier­pflanze Rose

„Heimat ist
nicht fremd.
Und manchmal
ist Fremde Heimat.“

– Gedanke vor einem Schild, das die mir vertraute Rosa rugosa als nicht heimisch auswies.

Wildrosen als Pionierpflanzen in Dünen, Ostsee Dünen Ostseeküste, Rosen als Pionierpflanze.

Wurzelausläufer einer Rugosa Wurzelausläufer einer Rugosa.

Rosa rugosa in Dünenlandschaft Eine Rugosa in den Dünen; Wegbegleiter mit Solitär-Charakter aus Fernost an deutscher Küste.

Jungpflanze Rosa spinosissima Neben der Sylter Rose (Rugosa-Formen) die heimischen Rosen in der Küstenlandschaft, Rosa spinosissima (Foto) und Rosa canina.

Rosen entdecken

Seit geraumer Zeit reifte mir der Gedanke, aus Garten und Baumschule heraus wieder in die freie Landschaft zu gehen, um Rosen zu entdecken. So wie ich es einst vor Jahren gemacht hatte, jedoch über die viele Arbeit, insbesondere in den Sommermonaten, aus dem Blick verlor.
Rosen in der freien Natur nach- und aufzuspüren ist spannend! Dieser Beitrag entstand Herbst 2013 bei einem Spaziergang an der Ostseeküste bei Laboe mit meiner Liebsten – und mit dem festen Vorhaben, diesen Beitrag, Pionierpflanze Rose, nun im Blick zu behalten und gelassen zu erweitern: am Wegesrand, in Knicks und Feldern, am Waldsaum und in Lichtungen, natürlich an der Küste sowie in verwilderten Landstrichen aller Art Rosen entdecken und deren (mutmaßliche) Geschichte.

“Sylter-Rose” – von wegen heimisch!

Heimische Wildrosen fand ich in der Dünen-Landschaft wenige; einige Rosa canina, wenige Rosa spinosissima mit ihren typischen schwarzen Früchten sowie herbstlichen Laubverfärbungen und Stacheln. In Küstengegenden kommen beide Arten natürlich vor.
Auf etwa zwei Kilometer Düne fand ich gar nur EINE Spinosissima und nur eine Handvoll Rosa canina, verstreut als Einzelpflanzen und im Gestrüpp. Rosa rugosa indessen begleitete uns Schritt für Schritt. Überall bis an den Strandsaum und weit ins Hinterland fanden wir diese robuste Art, mal als Einzelpflanze mit dem Habitus eines Solitär, mal als natürliche Hecke von beachtlicher Höhe; ein anderes mal bald kriechend, bodendeckend und verstreut auf kargen Sandflächen. Stets sehr schön anzusehen und erstaunlich gesund.
Nur, heimisch, heimisch ist die Rugosa hier im Norden Deutschlands nicht, wenngleich sie den Eindruck weckt, sie sei schon immer ein prägendes Gewächs der Küste gewesen. Ein Neophyt reinsten Wassers – eine der nicht heimischen, jedoch durch Menschen eingeführte oder durch natürliche Prozesse sich innerhalb des jeweiligen Gebietes verbreitende Pflanze! Eigentlich gehört sie nicht in die freie (norddeutsche) Landschaft … Nun ja, sehen wir es wie mit dem Dam- und Sikahirsch in Deutschland oder mit den Pferden in Amerika … mit den Jahren wird man heimisch.

Rosa rugosa in der Küstenlandschaft

Obgleich wir im Spätsommer unterwegs waren, zeigten die Rosen der Rugosa vereinzelt noch Blüten. Weiße und zart rosafarbene sowie kräftig pinkfarbene bis violette Blumen. Uns begleitete der typische und kräftige Duft dieser fernöstlichen Schönheit, die, wenn sie hier bei uns nicht so verbreitet, sondern selten wäre, gewiss auf dem Rosenmarkt den Status einer Rarität hätte!
Auffallender aber als die Blüten waren zu dieser Jahreszeit die Fruchtbehänge sowie die Strauchformen, deren Gestalt vermuten lassen könnte, ein Gärtner lege ab und an die Schere für einen Formschnitt an.

Einige Eindrücke

Solitär einer Rugosa in der Landschaft Solitär inmitten von Gräsern, Strandhafer und Binsen.

Solitär einer Rugosa in der Landschaft Runder Wuchs, einige kleine Ausläufer, die ersten Herbstfarben des Laubes und die Früchte lassen den Strauch attraktiv sein.

Hecke von Rugosa in der Landschaft Eine natürlich entstandene Hecke, fast ausschließlich von Rosa rugosa; eine kräftigere Rosa canina hob sich aus diesem Verbund heraus:

Rosa canina in der Landschaft Rosa canina, Früchte.

Blüten einer weißen Rugosa Weiße Rugosa.

verschiedene Blüten und Früchte Pink-rosafarbene Rugosa – mit Frucht und Früchten von der Hundsrose.

Rosa rugosa, hellrosa Lila-rosafarbene Rugosa.

Rosa rugosa, pink-violette Rugosa – pink-violette.

Für Neupflanzungen sorgt die heimische Tierwelt; Fraß an Hagebutten und verstreute Samen fanden wir immer wieder.
Ein Neuling als Nahrungsquelle, Schutz- und Lebensraum für sich entdecken? Offenbar gelang es hier.

verstreute Samen einer angefressenen Hagebutte

Eine Alternative der Verbreitung durch Samen sind die Ausläufer der Rosen. Wir fanden Teppiche von Jungpflanzen in der Küstenlandschaft, Beispiele:

Folgende Fotos zeigen einen Rugosa-Ausläufer (Foto 1), sodann einen Rugosa-Sämling; es folgt ein kleiner Schössling einer Spinosissima (Foto 1) sowie zwei kleine Jungpflanzen einer Spinosissima und einer Rugosa dicht nebeneinander:

Wurzelausläufer einer Rose Jungpflanze Jungpflanze Spinosissima Jungpflanzen Spinosissima und Rugosa

Zu den beiden Akteuren vom (deutschen) Ostseestrand: Ein Rugosa-Männlein rechts, links eine kleinere Spinosissima: Heimat und Fremde harmonisch miteinander …?

Ergänzung

Am 18. Juni 2023 sendete mir Frau Harrje zwei Fotos aus Dänemark, die Rosa spinosissima im natürlichen Habitat der dortigen Dünen zeigt – allerdings ist auch an diesem Standort die „Kartoffelrose“ präsent und offenbar dominant:

Rosa spinosissima, Dünen DK Spinosissima mit Rugosa

Der Konkurrenzdruck in der Natur ist hoch und es ist zu befürchten, dass hier die kleinen Spinosissima langfristig das Nachsehen haben werden.
Wir können und sollten unseren Blick auf Rosen in der freien Landschaft aber auch in unseren Gärten und Parks weiter schulen, so dass wir die heimische Flora und Fauna stets im Blick behalten.

Vorbilder für diesen Blick in unserer Kulturgeschichte gibt es zu genüge:

Rosa micrantha, Frucht

Rosa rugosa, Frucht

Rose als „Pionierpflanze“ in der Bildung …

Ein Männlein steht im Walde (…) mit dem kleinen schwarzen Käppelein. Ein Kinderlied von von Fallersleben, das in freundlichen Worten, so wird vermutet, eine heimische Rosenfrucht besingt. Foto 1 zeigt Rosa micrantha bei uns am Saum eines Hain artigen Knicks. Diese Frucht hat ein „kleines, schwarzes Käppelein“.
Im Walde? Es müsste bei von Fallersleben schon eine größere Lichtung gewesen sein … oder ein Waldsaum … frei zu einem „Wald“ gedichtet …

Eine Rugosa beschreibt das Kinderlied sicher nicht, obgleich die Rugosa schon zur Zeit von Fallerleben verbreitet war und wir bei unseren Exkursionen diese Art inmitten des Schattens unter großen Bäumen gefunden haben. Deren Kappe aber ist alles andere als klein … und in der Regel auch nicht schwarz. [Foto 2]

Ob und welche Fruchtrose der Dichter im Blick hatte, bleibt letzten Endes sein Geheimnis.

Das Lied stammt aus dem Jahr 1843. Vermutlich, insofern es eine Rose war, war es vom Typ die Frucht einer Rosa canina oder eher noch die kleiner bleibende Frucht der abgebildeten Rosa micrantha, die von Fallersleben anregte, seine Verse zu schreiben.

Ich mag den Gedanken, dass ein liebevoll poetischer Blick sich der Frucht der Rose widmete – anstatt ihrer Blüten.

Kulturgeschichtlich erscheint mir dies sehr spannend zu sein. Dieses Augenmerk auf weniger spektakuläre Phänomene der Natur musste – damals wie heute – erlernt werden.
Vergleiche die Lehre rund um Das entdeckte Geheimnis der Natur [Sprengel] innerhalb der Blütenbiologie.

Wie dieses aufkeimende Wissen rund um die „Geheimnisse“ und Feinheiten der Natur Einzug in die Pädagogik hielt, sei es als Kinderlied, sei es als frühes Bilderbuch für Kinder [Beispiel „China-Rosen“ aus 1795] sowie schließlich in die Lehrpläne an Schule und Universität, ist kulturgeschichtlich nachvollziehbar und lehrreich. Woher unsere heutige „Allgemeinbildung“, unser vermeintlich „gemeines“ (weit verbreitetes, gewöhnliches) Wissen herstammt, finden wir in solchen Quellen.

Dass die Verbreitung der Rosa rugosa als ein ökologisches Problem verstanden werden kann, zeigt Seite 2. Es erscheint mir jedoch kaum sinnvoll und praktikabel, diese Rose wieder aus der heimischen Landschaft verbannen zu wollen.