Ja, was denn nu? Am liebsten wohl genau so: resistent, robust und gesund!
Rosenschulen sind schon im eigenen Interesse bemüht, Ihnen gesunde Pflanzen zu verkaufen: also Wurzelware oder auch eine Rose im Topf, die keine Krankheit zeigt und keinen Befall. Diese Rose ist dann gesund.
Was aber nicht heißt, dass diese Rose auch widerstandsfähig gegenüber möglichen Krankheitserregern ist. Oder sagen wir es vermeintlich oder tatsächlich übertrieben so: Unter idealen Kulturbedingungen, wohlgenährt sowie „prophylaktisch“ innen und außen mit diversen Mittelchen voll, fällt es selbst einer genetischen Disposition schwer, sich zum Ausdruck zu bringen.
In Ihrem Garten, Sie verzeihen, mag es dann anders sein.
Eine typische Frage im Verkauf: Ist diese Rose auch resistent?
– Was soll ich sagen: Nö! Zumindest immer dann nicht, wenn Sie meinen, die Rose bliebe stets gesund: so fit und in Form halt, wie sie von der Rosenschule angeboten wird.
Ob ADR-Rose oder nicht, ob der Rose eine geringe Infektionsrate attestiert wurde oder nicht: Rosen? Rosen werden krank, allesamt.
Ein ewig währendes Wechselspiel
Es liegt in der Natur der Sache, dass gesund nur sein kann, was auch krank werden kann. Ist ein Virus immun gegen ein Antibiotika geworden, heißt es nicht, dass ein anderes Mittelchen es nicht doch wieder erwischt. Dieses Hin und Her ist evolutionär notwendig. Wie es auch die Neukombination von Genen ist.
Insoweit sei auch hier und gleich einem mehr oder minder präsenten postmodernen Denken jegliche Illusion genommen, wir könnten am Genpool der Rose gespielt „dauer-resistente Kreationen“ nach belieben in unsere verwöhnten Köpfe und Gärten bekommen. Was in die Natur nicht hineinpasst, sollte die Genetik nicht versuchen.
Sagen wir es mit einem Zitat aus einem Unterhaltungsfilm, Jurassic Park aus dem Jahr 1993, in dem der Chaostheoretiker Dr. Ian Malcolm zu den vermeintlich unüberwindbaren gentechnologischen Sicherheitsvorkehrungen im „Dino-Park“ lapidar bemerkt, Das Leben findet einen Weg
. Die eigenständige Vermehrung dieser Urtiere sollte eine transgene Manipulation sichern. Am Ende aber bewahrheitete sich der Satz von Malcolm …
Im Roman und Film ein kluger Mann: Wissenschaftler konzentrieren sich nur darauf, ob sie etwas tun können, und stellen sich nie die Frage, ob sie es tun sollten.
Das muss schon der Mensch hinter dem Wissenschaftler tun, wie wir alle.
Die ADR regelt diese ewige Illusion, wir hätten Instrumente zur Hand, die Natur zu kontrollieren, so: Alle paar Jahre werden die Sorten hinsichtlich ihrer Auszeichnung überprüft; zeigen sie sich in der Praxis nun doch wiederholt anfälliger als gedacht, wird das Prämierungszeichen kurzerhand aberkannt.
Bei dem Wechselspiel zwischen Antibiotika und Keim in Medizin und Biologie ist dies als „wirksam“ versus „resistent“ definiert. Im „Pflanzenschutz“ wechselt man die Wirkstoffe nach kalkulierten Intervallen. Im ökologischen Landbau wählt man für den hiesigen Raum geeignete Pflanzen und bekämpft den dennoch auftretenden Befall mittels „Biologischen Pflanzenschutz“[1] – oder ignoriert einen gewissen Grad an Befall.
Natur und Kultur sind Prozesse, keine „Endzustände“.
Rosenzucht und Evolution?
Wildrosen sind gesunde Rosen; wenigstens sind sie widerstandsfähig und robust. Was sie nicht brauchen, sind unsere bemühten, kenntnisreichen, gärtnerisch gestaltenden und eingreifenden Hände. Seit einigen Millionen Jahren geht es auch ohne uns: Wildrosen werden krank – und überdauern. Man sieht in Wald und Flur, dass es wunderbar funktioniert.
Was Wildrosen diesbezüglich von Natur aus können, können unsere Kulturrosen so ohne weiteres nicht:
Die Rosenzucht ist nicht evolutionär unterwegs; nirgendwo in der Welt. Wir kreuzen und selektieren nach unseren eigenen Vorstellungen, worüber die Natur mitunter nur müde lächeln dürfte: Haltbarkeit von Blüten für die Vase? Hübsch buschige Strauchformen fürs Beet? Die buntesten Farben und bis zur Sterilität gefüllte Blütenformen? Okulation und „Genbanken“ für die Vermehrung und den Erhalt der Sorten? Hier formuliert sich Kultur, nicht Natur. Und das zeigt auch jedes Verkaufsgespräch über Rosen.
Das lateinische cultura (von lat. colere: urbar machen, bearbeiten, pflegen) besagt nichts anderes: wir bringen etwas selbst hervor – und pflegen es dann; soweit wir wollen. Also sind wir einmal tolerant uns selbst gegenüber und den Geschöpfen, die wir hervorbringen: Wir schaffen eine Kultur der Rose nach unseren Vorstellungen, wie es uns gefällt, welche aber weit davon entfernt sei, „perfekt“ oder gar „besser“ als die Natur zu sein.
Wenn wir schon beim Lateinischen sind: Robur meint „Kernholz, Eiche, Kraft“; so benennt der Mensch kurzerhand das Holz eines Wildbaumes nach Eigenschaften, die für ihn wichtig sind; und überträgt diese Bedeutung des Wortes auf das, was er aus diesem Holz herstellt: robustus, (etwa ein Schiff) aus Hart-, Eichenholz hergestellt. Dem Menschen gefällt’s – und er überträgt den Begriff weiter: „Robust“ meint dann – in allerlei Bezügen – unter anderem „unempfindlich, stabil, haltbar, unverwüstlich“; schließlich: robust als „widerstandsfähig“, also gleich „resistent“, zu lat. resistere, sich widersetzen, also „unempfindlich, (in sich) stabil“, also zeitweise gar „immun“, also: gesund.[2]
[2] „Robust wie eine Eiche“ – ich habe keine grundsätzliche Aversion zu offenbar etymologisch althergebrachten Redewendungen mit „Eichen“, seien sie „deutsch“ oder anderer Herkunft. Die Herkunft des Wortes wird bei seinem Gebrauch ohnehin kaum mitgedacht; es wäre mir neu, müsste eine gewisse Belastung des Begriffs aus der Geschichte bedacht werden, will man ihn heute verwenden, in: Robuste Rosen etwa. Oder „Allgemeine Deutsche Rosenneuheitenprüfung: robuste Rosen“. Meinetwegen auch: „robust wie eine Eiche“ …
Ob ›gesund‹, ›robust‹ oder ›widerstandsfähig‹ – es sei gleich …
Die Bedeutungsebenen von Begriffe überschneiden sich; trotz aller feinen Unterschiede im Detail und Gebrauch, trotz Wandel und Geschichte, sie haben ihre Schnittmengen.
Und wir sollten nicht über Begriffe streiten; vielmehr über das, was sie zum Ausdruck bringen sollen.
Dies gilt für die Begriffe „Wildrosen“ und „Kulturrosen“ gleichermaßen.
Die ersten dürfen wir mit unserer Kultur nicht gefährden, weder durch unsere Sprache, geschweige durch unserem Handeln, bei den zweiten haben wir es uns ohnehin selbst auferlegt, sie zu pflegen und zu bewahren. Machen wir das ausgehend vom Kopf und dem Herzen, über die Zucht, unseren Einkauf bis in den Garten hinein gut, brauchen auch unsere Kulturrosen keine Mittelchen, sowenig wie es „die Wilden“ brauchen, um widerstandsfähig zu sein und gesund zu bleiben, zu gedeihen und zu gefallen.[3] Hier freilich liegt in unser Rosenkultur noch einiges im Argen … und wir könnten viel von der Natur lernen.