Rosen mit „natürlichen, buschigen Wuchs“
Die Sprache der Werbung für das Produkt „English Roses®“:
Der Vorfahre (…) die Historischen Rosen [,] haben den gleichen, natürlichen und buschigen Wuchs der Englischen Rosen (…)
– David Austin, Handkatalog 2002, 2004.[1]
Gärtner/-innen helfe die eigene Anschauung und Erfahrung: Der Habitus einer Teerose, einer Alba, einer Zentifolie, einer Noisette, einer Remontant …? Unterschiedlicher können Rosen kaum wachsen. Diese viel bemühte „Alte, Historische Rose“ ist kein Vergleichsmaßstab für einen derart vorgestellten Wuchs. Nimmt man Einzelnes (buschig wachsende Rosen) aus der Vielfalt (Historische Rosen) heraus, kann man das Ganze nicht wieder als Vergleichsmaßstab nehmen. So unterschiedlich sich uns diese Wuchs-Formen der Rosen auch zeigen, wir können sie zwar allesamt noch wohlwollend als „natürlich“ ansehen – sie aber allesamt als „buschig“ anzusehen, da streike das Auge und unser Hirn dann doch …
Die Genealogie lehrt uns ferner: Nachfahren haben Merkmale ihrer Ahnen. Eine Trivialität. Und diese Trivialität ist nicht in einer umgekehrten Reihenfolge beschreibbar, wie Austin es dem Leser anbietet. Ein weiteres Beispiel dazu: Oma hat nicht die gleiche Nase wie ich, sondern andersherum, meine Nase gleicht der Nase von Oma. Diese besonderen Merkmale einer Nase habe ich (über meine Eltern) von Oma geerbt.
Die zweite Trivialität: Unsere Vorfahren – ganz allgemein gesehen – vererbten uns Nasen. Stimmt’s? Diese „Vorfahren“ vererbten krumme Nasen, Höcker-Nasen, Stummel-Nasen, imposante Adlernasen und süße Stupsnasen. Stimmt’s? Meine Nase ist ziemlich groß aber gerade geraten. Wie ist Ihre Nase?
Wie würde Ihnen folgender Satz vorkommen: Unser Vorfahr (…) „die Menschen der Europäische Rasse“, haben die gleiche, natürliche und wohlgeformte Nase der Deutschen. So ein Unsinn – würden Sie intervenieren, vollkommen zurecht. Idealisierte Merkmale von Nasen (und Strauchformen) vererben sich nur in einer unreflektierten Sprache; in dieser Sprache des Rosenmarktes zum Beispiel und in den Gedankengängen der einhergehenden hauseigenen Werbung.
Verwandtschaftsbeziehungen findet ein geschulter Genealoge in solchen Sätzen des Marktes nicht – und der aufmerksam lesende Laie suche gemeinsam mit dem Genealogen in den Gärten und Parks nach dieser hübschen Strauchform … spätestens bei dieser Suche dünkt es einem, dass Austin den genealogischen „Vorfahr“ wohl verwechselt hat mit einer Art idealisiertem „Vorbild“: Ich hätte ganz gerne, dass meine Rosen so „natürlich und buschig“ wachsen … wie einige der Elternpflanzen, mit denen ich gekreuzt habe. Gewiss, ein erstrebenswertes, schönes Zuchtziel, das immer schon zeitlos war und ist …
Schon abstrus, wie diese Sprache der Werbung eine durchaus markttüchtige Enge eines hauseigenen Produkts zu einem offenbar allseits beliebten Vorfahren
zu suggerieren versteht. „Vorfahren“, die auch noch in einem Singular gepackt werden, um wohl anzudeuten, das hier nicht Einzelnes, vielmehr das Ganze gemeint sei: Der Vorfahr Alte Rose sieht aus wie meine eigenen Rosen. Die von Austin beschriebene Strauchform freilich charakterisiert keinen dieser beiden Sammelbegriffe, weder den Gruppenbegriff „Historische Rosen“ – noch den Reihennamen „English Roses®“.
Wie auch sollte es möglich sein, dass ein beliebig in 1966/67 für die Welt erfundener, zeitlich definierter Ordnungsbegriff plötzlich ein Merkmalsträger der Genealogie sei. Eine unglückliche Wortkreation der American Rose Society (ARS) will Übersicht und Ordnung schaffen – und gebärt Irrtümer.
„Alte, Historische Rose“ ist seit 50 Jahren ein neuer und offenbar willkommener sprachlicher Horizont nicht nur für die Ambitionen einer jungen Rosenzucht, die fast zeitgleich in England ihren Anfang nahm … Vielmehr verwenden wir diesen Gruppenbegriff heute ebenfalls derart unbedarft, als ob ihm eine altehrwürdige Tradition in der 2500 Jahre alten Kulturgeschichte der Rose zugrunde läge.
Man mag an dieser Stelle den Gedanken von de Rivarol wiederholen:
Die herrliche Fähigkeit des Geistes zur Bildung von Sammelbegriffen ist die Wurzel fast aller seiner Irrtümer …
Allgemeinplätze
- „Alte Rosen“, größer kann eine Rosengruppe kaum sein; die amerikanische Rosengesellschaft fasste verschiedenste Rosenklassen mit ungezählten Sorten abstrakt unter diesem Begriff zusammen. Der nächst größere Begriff, der noch allgemeiner und umfangreicher ist, ist der Begriff Rose selbst. Die Logik unserer Sprache hilft mitunter, um zu verstehen, dass solch ein abstraktes Gebilde des Geistes, wie es der Begriff „Alte Rose“ nunmal ist, keine Gene hat, die er weiterreichen könnte, um Rosen „buschig“ sein zu lassen …
- „English Roses®“ nennt die Zusammenfassung von Rosen als Zuchtergebnisse eines Mannes in einem der marktüblich gewordenen Reihenbegriffe. Ein Reihenname, etwa zeitgleich in den 70er Jahren mit der Erfindung der „Historischen Rose“ auf den Markt getragen – damals mit einem halben Dutzend Rosen im Quartier.
Dutzende Rosenklassen der Jahrhunderte – unter dem Gruppennamen einer Neuordnung zusammengefasst – gerieten unvermittelt zum Spiegelbild der Ziele einer neuzeitlichen Zucht.
Zeitgeschmäcker sehen keine Vielfalt, sondern nur sich selbst
Die Sprache der Werbung:
Die Englischen Rosen haben, im Gegenteil zu den Historischen Rosen, den Vorteil, öfterzublühen (…)
Eine gigantische, frisch erfundene „Rosengruppe“ mit dem Namen „Alt (Historisch)“ als Spiegelfläche der eigenen Zuchtbemühungen?[*]
Das beliebte, überbewertete „Öfterblühen“
Alle Rosen blühen öfter!
Natürlich – über die Jahre gesehen …
„Alte Rosen“, „Moderne Rosen“, „Englische Rosen“ blühen uns wie?
Wie wäre es einmal hiermit: „Historische Rosen“ blühen überhaupt nicht! „Moderne Rosen“ nun mal auch nicht. „Englische Rosen“ schon gar nicht. Und wenn man es von diesem „Nullpunkt“ ausgehend nun doch anders denken will: alle Rosen, die durch einen dieser Begriff stellvertretend versammelt sind, blühen öfter, blühen nach, blühen standortabhängig, sortenabhängig, blühen Forsythien gleich überreich im Frühjahr oder Sommer, immer mal wieder in einem Öfterblühen, blühen endständig oder den Trieben entlang, in Einzelblüten oder in Büscheln zu hunderten beisammen – in allen ihren Variationen des Blühens.
Diese Eigenschaft des Öfterblühens ist in keinem dieser Begriffe zuhause. Und wenn man doch ein zuhause dieser Eigenschaft des Öfterblühens vermutet, dann ist es genau dort, wo Austin es weggedacht wissen will. Es gibt hierbei nichts zu relativieren: China-Rosen, Teerosen, Damaszener-Rosen, Moosrosen, Portland-Rosen, Noisette-Rosen, Bourbon-Rosen, Remontant-Rosen. Alles Klassen der „Alten Rosen“, die sogar diejenige Rosenklasse aus Fernost enthält, wo das Öfterblühen vertraut und zuhause war, bevor ein Europäer 170 Jahre später anfing, das Gegenteilige zu behaupten.
Was also sollen wir mit einem solchen Satz in unserer Rosenwelt anfangen:
Es sei den Rosen der Austin-Zucht vorteilhaft eigen, öfter zu blühen, im Gegensatz zu den „Historischen Rosen“?
Verkürzt auf den Markt gebracht: Alte Rosen blühen halt „einmal“ (in der Saison).
Und warum um alles in der Welt wird dieser pauschalisierende Unsinn großzügig zitiert und allerorts verbreitet – als ob es tatsächlich so wäre!
Diese beigelegte Wertung von Austin erschliesst sich dem „Liebhaber“ nicht. Vollkommen unabhängig einmal davon erfragt, ob sich derlei Blühverhalten an einem wie auch immer definierten „alten“ oder „modernen“ Strauch zeige.
Und unabhängig einmal davon, ob wir Forsythie und Rhododendron, Flieder und Magnolie … und als Rosengewächse Perlmutts- und Fingerstrauch, Mädesüß und Wiesenknopf, Weißdorn, Schlehdorn und ein Obstgehölz oder schließlich die Rose selbst in den Blick nehmen: „Öfterblühen“ ist alles mögliche, nur ein „Vorteil“ per se gewiss nicht.
Wollen wir das? Viele wunderbare Eigenschaften – nicht nur der Obstgehölze – gingen durch dieses umworbene „Öfterblühen“ verloren.
Eine Forsythie im Frühjahr ist reine Blüte und damit sie uns im nächsten Jahr wieder mit ihrem überreichen Frühjahrskleid erfreuen kann, braucht sie das folgende Laub im Sommer; im Sommer ist eine Schlehe in der Üppigkeit der Blüte gleich und fruchtet zudem im Herbst für uns und die Tierwelt nützlich, was fast allen Rosengewächsen eigen ist …
Rosen, die überreich ihren Trieben entlang blühen, können diese Pracht – ähnlich der Forsythie – nicht über die gesamte Saison wiederholen; solche Rosen aber können Sie über Jahre frei wachsen lassen, solche Rosen zeigen oftmals einen wunderbaren Habitus, wohingegen das umworbene „Öfterblühen“ die Schere verlangt, von Anbeginn der Saison bis Ende.
Selbst für ein buntes Beet ist das Öfterblühen nicht zwingend von Vorteil, sondern übers Jahr und die Jahre gesehen schlicht langweilig …[*]
Das Sammelsurium des „Englischen“ begann zudem mit einmal blühenden Sorten – und beherbergt diese Eigenschaft bis heute.[*]
Bewerten sie das papierene „Öfterblühen“ nicht als „Vorteil“, erfreuen Sie sich vielmehr an der Vielfalt der Rose über das Jahr – und die Jahre, die Rosen werden können.
Rosen-Baum
Siehe weiter: Rosen als Formgehölz.
Neue Begriffe – Neue Denkmaßstäbe
Mit den Begriffen „Alte und Moderne Rosen“ einer Ordnung tauchten zugleich zwei neue Begriffe für die Vermarktung von Rosen auf. Austin verwendete diese Neuordnung der ARS schon auffallend früh, gleichsam parallel zu deren Aufkommen in den 70er Jahren. Auf der Höhe seiner Zeit … und er blickte in diese gigantische Gruppe hinein, nahm heraus, was ihm gefiel und schaffte es über die Jahre, dass seine Auswahl zur markttauglichen Charakterisierung eines Ordnungsbegriffs geriet, handlich mit einem Begriff fassbar: Alle Rosenklassen der vergangenen Jahrhunderte, die vor 1867 die Kultur bestimmten … mit unzähligen Sorten und deren Eigenschaften … zusammengefasst in einem abstrakten Begriff … als neue Spiegelfläche der Präferenzen aus Zucht, Gartengestaltung und Zeitgeschmack.
Im Gegenteil: Jenes Begriffspaar der ARS ist heute in aller Munde – kaum einer, der sich nicht berufen fühlt, im Handkatalog und Online-Shop, in Zeitung, Forum oder als Vertreter eines Rosarium oder aus Zucht und Vertrieb irgendeinen klugen Satz zu verfassen, was diese „Alte Rose“ so alles sei – und wie es sich vom „Modernen“ aus betrachtet rückblickend wohl zu definieren habe.
Die Floskeln moderner Rosenwerbung darf ich einmal salopp zusammenfassen:
„Das Alte“ wächst „buschig und natürlich“, in einer von hinten durch die Nase gezogenen Duftwolke „der „Alten Rosen““. In nunmehr gar schillernden Neon-Farben blühen uns pummelig gefüllte Blumen als „Stil des „Alten““. Und diese Renaissance des „Historischen“ blüht nicht nur dergestalt farbenfroh „einmal“, nein, nein, diese „Moderne“ blüht sich – vorweg und nebenbei bemerkt – in unserem nicht enden wollenden Rosentraum regelrecht zu Tode … gesünder als jemals zuvor!
Dass diese Sprache nur unseren kurzlebigen Geschmack spiegelt und einem nimmersatten Wunschdenken gezollt ist, nicht aber diese Neuordnung „Alte Rose“ in den Blick bekommt, zeigt sich in einem wahrhaften Unikum zeitgenössischer Marktstrategien: „Charme“ bekommt in der Werbung Gene. Bald eine witzige Sprache, die gar Einzug in sogenannter Fachliteratur hielt, eine Sprache, in der „vererbt“, „geerbt“, „verbessert“ und „vereint“ wird, was die Werbetrommler noch irgendwie getrommelt bekommen.
Was die Gene der Sorten einfach nicht hergeben wollen, wird erfindungsreich über die Rosentaufe erledigt – die geschickte Wahl eines Sorten-Namens erzeugt in der Rosenwelt in der Tat die Illusion, die Zucht habe es fertiggebracht, ein und dieselbe Rose in verschiedenen Blüten und Formen „zu kreieren“. ‘Pierre de Ronsard’ alias ‘Eden Rose ‘85’ stehe hierfür nur beispielhaft.
Anstelle von Rosen und deren Vielfalt, so erscheint es mir, kursiert in manchen Köpfen und Beeten ein eierlegendes Wollmilchschwein. Ein Schwein freilich ohne Schattenwurf, weil derartige Begehrlichkeiten, vermeintlich „alles“ in einem haben zu wollen, keine reale Gestalt haben können.[*]
Erstaunlich also ist es schon, wie beliebige Sammelbegriffe über die Jahre marktübliche Inhalte bekommen konnten – und wie sie ihre Verbreitung fanden, abzulesen an einer Vielzahl zeitgenössischer Reihennamen von „New English Roses®“, „Renaissance®“ und „Romantik®“, „Märchen®“ bis „Nostalgie®“.
Möglicherweise ist dieser Werdegang eines Begriffspaars aus einer Neuordnung doch bloß das Ergebnis der Eigengesetzlichkeiten moderner Vermarktung?
Verehelicht mit austauschbaren Zeitgeschmäckern und mit dem, dass der Wunsch zu glauben der Vater manch eines Gedankens und Gartens ist: „Alte Rosen“ im modernen Gewand …
Die Sprache der Rosenvermarktung ist nicht einfach zu durchschauen.
Die Sprache der Rosenkultur hingegen ist einfach:
Eine sprachliche Verdrängung unserer Kulturgüter indessen glaubt nur an sich selbst und erfindet zum Ende noch rasch den echten Liebhaber
, der offenbar noch einen Blick übrig hat für das, von dem der Markstratege behauptet, er habe es mit seinen Geschöpfen weitgehend verdrängt
. Was für eine kulturlose Hybris der Sprache, in Worten und Bildern zelebriert; ein Spiegel unseres Umgangs mit unserem uns überantworteten Erbe.
Hier helfen auch nicht die selektiven Hymnen der Verkaufsstrategen an die „Historie“ der Rose, wenn im gleichen Atemzug dieses „Alte“ doch lieblos zu einem Paket zusammengeschnürt wird, um es als „verbessert“ und „vereint“ in unsere „Moderne“ zu katapultieren: Meine Stil-Interpretation eines irgendwie geratenen „Alten“ in meinem Neuheiten-Pott – Jahr für Jahr, für alle Liebhaber, ob „echt“, ob „falsch“ … Der Nordrhein-Westfale würde über diese „Zielgruppen“ in seiner auf den Punkt bringenden Mundart spötteln: Egal! Geld in den Taschen, Hauptsache …
Diese Rosenpoeten und Vertreter aus Zucht und Vertrieb deuteln via einer beliebigen neuzeitlichen Neuordnung den Weg unsere 2500 Jahre alten Rosengeschichte für sich zurecht … Da geht der „Liebhaber“ mal besser nicht mit, zweige rechtzeitig ab und suche sich seinen eigenen Weg …
Der „Alte Apfel“
Falls es mir gelingt, den Geschmack einer alten Apfelsorte in eine Kreuzung zu bringen, biete ich Ihnen salopp und zum Besten: „Ein moderner Apfel mit dem Geschmack der Alten Sorten“. Sie mögen es mir glauben, dass dieser „Geschmack“ wohl kaum ein Spiegelbild der unzähligen Geschmacksrichtungen von unzähligen als überholt oder „alt“ bestimmten Apfelsorten sein kann? Möglicherweise reden wir hier nur von süßen, nicht von sauren Äpfeln, denn saure Äpfel mag ich persönlich mal nicht … und das ganze Spektrum von Süße „vereint“ sich mir in meiner köstlichen Kreation? Wie einfach das Essen eines Apfels doch sein kann …
Da wähle ein jeder aus, was er will? Und fasst es nach Belieben wieder zusammen?
„Alte Rosen“ versus English Roses®… Moderne Romantik-Rosen®… Renaissance-Rosen®… Märchen-Rosen®… Nostalgie-Rosen®…
? In diesen Marktbegriffen spiegelt sich allein die Quantität und Dominanz von Züchter-Werkstätten der Gegenwart, die via Begriff ihr Terrain abstecken.
Es sei marktüblich jedoch unredlich:
- wenn Rosen in deren Charakterisierung auf einzelne, mutmaßlich auf dem Markt bevorzugte Eigenschaften reduziert werden.
(Diese Reduktion bei der Betrachtung von Rosen mag verkaufsfördernd sein , aber sie zeigt nicht die Vielfalt der Rose und bietet somit auch kein gutes Informationsportal für Rosengärtner/-innen, die sich für diese Pflanze interessieren).
- Es ist gewiss unredlich, herausgegriffene Eigenschaften einzelner Sorten als Charakteristika der Gruppen zu bestimmen, denen diese Rosen (nach Belieben) angehören sollen.
(Diese Vereinfachungen erscheinen „marktkompatibel“, ignorieren aber die Entstehung und Aussagekraft der Rosenordnungen und des-informieren). - Es ist unredlich, darüber „vorteilhafte“ und „nachteilige“ Eigenschaften von Rosen diesen „Sammelbegriffen“ beliebiger Ordnungen zuzuordnen.
(Denn diese Zuordnungen bewerten eine neutral verstandene Orientierung über die Vielfalt der Rose und bewerten oder entwerten gar pauschal die enthaltenen Rosen. Was „vorteilhaft“ ist, entscheidet der Rosengärtner, die Rosengärtnerin, nicht Zucht und Vertrieb). - Es ist unredlich, darüber Rosen aus beliebigen Ordnungsbegriffen mit
Vorfahr
für den eigenen Marktbegriff zu belegen.
(Derartige Vergleiche sind genealogisch unsinnig wie sie begriffslogisch unsinnig sind; und kulturhistorisch ist es eine Frechheit für alle Züchter/-innen und Gärtner/-innen von damals bis heute; Rosen eines unüberschaubaren Ordnungsbegriffs als „Vorfahr“ zusammenzufassen, ist Hybris). - Es ist unredlich, in der Summe der gängigen Vermarktungsstrategien das vermeintlich Vorteilhafte von Rosen „im Reihenbegriff vereint“ verkaufen zu wollen, das vermeintlich Nachteilige indessen verbliebe hübsch rhetorisch heraus-gekitzelt in „Alt“ einer beliebigen Ordnung.
(Ein offenbar nicht wegzuzaubernder „Charme“, den wir bei Rosen aus der Sammlung „Alt“ wahrnehmen mögen, vereinnahmt der Neuheiten-Markt gern für seine eigene Zucht. Als ob dieser „Charme“ sich kopieren oder gar einkreuzen ließe. Der Neuheitenmarkt will die „Alte Rose“ einfach nicht gekauft sehen – die freilich einzig und allein diesen „Charme“ für uns inne haben können – sondern die eigene „Neuheit“ soll in unsere Gärten. Die Devise des Marktes ist: Was Du und Dein Produkt nicht bist und sein kannst, mache Dir einfach begrifflich zu eigen). - Es ist unredlich (wohlwollend gedankenlos zu benennen), am Ende behaupten zu wollen, was exemplarisch und allerorts zum Besten gegeben wird:
Englische Rosen sind sozusagen neue ‘Alte Rosen’ (…).
Der Leser, so Austin, möge diesen scheinbaren Widerspruch verzeihen
[*].
[*] [Aus: Alte Rosen und Englische Rosen, David Austin, DuMont Köln 1993, S. 130. ]
Es ist Rhetorik der Werbung. Schärfer kritisiert: Es ist fachlicher und sprachlicher Unfug. Derlei Deutungen des eigenen Produkts bieten keinen Grund für die schöngeistige Bitte an die Leser, „nachsichtig“ mit diesem scheinbaren Widerspruch
umzugehen, der nicht „scheinbar“ daherkommt, vielmehr tatsächlich einer ist. Derlei bleibt im Kopf, im Garten, auf dem Markt sowie in unserer Kultur eine wahrhaft gedankenlose Sprache und mündet – keineswegs zu streng bewertet – in eine kulturhistorische Maßlosigkeit der Neuzeit ohne Scham; es ist und bleibt eine selbstverliebte und leider hoffähig gewordene Träumerei moderner Vermarktung mit ihrem Werbelatein, das Einzug hielt in unsere Sprache der Rosenkultur: Es ist Marketing, kein Beitrag zur Kultur der Rose.
Es wird unredlich, wenn man davon ausgehen kann, dass Rosenkenner uns glauben machen wollen, was ihnen selbst gefiele, was sich aber offenkundig nur hervorragend vermarkten lässt: Das Beste aller Rosen aller Zeiten in meinem Neuheiten-Topf.
Die Rosenwelt träumt in der Vermarktung der Rose ihre Kultur …
Konnotationen im Garten
… unsere gedanklichen Verknüpfungen – wie wir also in unseren Köpfen Zusammenhänge herstellen, auch im Garten!
Rosen entstehen nicht am präzisen Reißbrett der modernsten Genetik, wenigstens derzeit nicht. Rosenkinder erblicken das Licht der Welt durch das Kreuzen einzelner Sorten, an deren Merkmale der Zeitgenosse Gefallen finden mag in der Hoffnung, seine Kinder erben diese Merkmale. Hier mag es dann auch gleich sein, wie so manch ein wortgewaltiger Züchter aus wie vielen hunderttausenden Sämlingen auch immer vermeintlich seine „Innovationen kreiert“; sprich es lieber schlichter: für markttauglich befunden vom Acker selektiert …
Diese Selektion erfolgt nach den Gesetzen des Marktes … was sich nicht verkaufen lässt, kommt erst gar nicht auf die Verkaufstische … zumal dann nicht, wenn es dem Vertrieb mutmaßlich auch nicht gelingen dürfte, notfalls selbst via Kommunikation des Produkts eine Nachfrage für dieses Produkt zu erzeugen.
Was sich nicht verkaufen lässt, bleibt im Züchter-Haus … wird mitunter aufgebrannt und kompostiert. Da mag der Rettungsgedanke der naiven Liebhaberei noch so traurig werden …
Züchter also wählen Sorten aus, in der Hoffnung, dass deren für relevant befundene Merkmale vererbt werden – und sich das Ergebnis verkaufen lässt. Beides gelingt in der Zucht. Seit Sprengel, Mendel, Bennett ist der Blick auf die Gene der Rose auch wenig spektakulär.
Die Zuchtergebnisse werden uns sodann vorgestellt mit Hilfe von (Bildern und) Begriffen – und diese Begriffe sind nicht leicht zu denken. Beispiele:
- „Wild? – Oh Gott, davon habe ich wahrlich selbst genug im Garten …“
- „Alt“? – Alte Schafe? Wer will schon alte Schafe – wie Dickerson es treffend formuliert …
- „Modern“? – Mit Verlaub, das Moderne heute ist morgen selbst schon das Alte …
Diese den Begriffen beigelegten Denkweisen aber haben weder mit der Ordnung der Rosen noch mit einem Verständnis der Rose etwas zu tun. Schütteln Sie einmal den gewohnten Gebrauch solcherart Begriffe von sich ab und starten den Versuch, derlei Begriffe neu zu lesen und selbst zu denken:
„Wildrosen“ sind Naturrosen
… „Alte Rosen und Moderne Rosen“ sind Kulturrosen. „Naturrosen“ und „Kulturrosen“ sind eines der wenigen Begriffspaare, die Sinn machen. Der maßgebende Unterschied der enthaltenen Rosen ist genetisch wesentlich, gärtnerisch betrachtet unbedeutend, kulturhistorisch grundlegend. Denn vermehren wir unsere Kulturrosen nicht aktiv, sterben sie als Sorten aus; die Natur kümmert sich um Pflanzen nicht, die nicht samenecht oder gar steril sind. In den Garten passen Rosen aus beiden Gruppen wunderbar; egal, wie wir sie benennen. Und in unser Kulturgeschichte beheimatet sind alle Rosen aus diesen beiden Gruppen.
Konnotationen
Eine Wertung zu einem Begriff sollte stets vermieden werden; Wertungen, die stets durch gedankliche Verknüpfungen dem Begriff beigelegt werden. Wenigstens sollten uns solcherart Konnotationen bewusst sein; beziehungsweise wir sollten in der Lage bleiben, sie jederzeit zu reflektieren, kritisch und selbstkritisch.
Bekannt sind die „Unkräuter“, die neusprachlich wieder zu „Wildkräutern“ wurden, nicht bloß, weil sie eine Renaissance als Heil- und Nutzpflanze erleben. Vielmehr wohl deswegen, weil sie im Zusammenhang eines Umdenkens stehen, das ökologische Energiegewinnung, biologische Lebensmittelproduktion sowie Naturschutz nicht als kurzlebigen Trend verträumter Idealisten begreift. In einem Umdenken, das „mit der Natur“ zu leben versucht, weil es ohne sie nun wahrlich nicht geht und in dem aber auch rein gar kein Platz für alte Negationen wie der Vorsilbe „Un-“ mehr sei, welche Pflanzen, die in der Natur schlicht zuhause sind, mit einer Bewertung belegen, wie wir es weiterhin etwa bei „Unsitte, unwirklich“ oder „unnütz“ verstanden haben wollen.
Diese korrigierte Bezeichnung namens „Wildkraut“ sei auch dann im Kopf angekommen, wenn nicht nur Wildrosen, sondern auch diese Wildkräuter „ungefragt“ in unserem Beet wachsen, in dem wir sie aber partout nicht dulden, weil wir nach unseren Maßstäben gärtnern wollen.
Die Schuffel, die im Beet jedes Wildkraut jagt, schafft redlich Ordnung, solange der Kopf zeitgleich nicht nach Lösungen sucht, diesen Kräutern gänzlich und für immer den Garaus zu machen. Dieses Ansinnen wäre nicht bloß „unmöglich“, sondern kurzsichtig und verantwortungslos.
Anstatt „Unkräuter“, „Wildkräuter“ oder besser „Naturkräuter“, die ohne unser Zutun sind und von denen alle unsere „Kulturpflanzen“ abstammen. Die Genbank Zierpflanze Rose taugt nichts, wenn man zeitgleich das „Naturkraut“ als „Unkraut“ verjagt. Die Gesinnung stimmt dann nicht.
Sappho als Leitfaden
Sehen Sie das Wildkraut und die Wildrose kulturgeschichtlich so: für die Dichterin Sappho waren die Wildrosen – oder sagen wir es hier einmal besser und probeweise: die Naturrosen – „die Königin der Blumen“; ihre Dichtung ist mit die älteste, schriftliche Überlieferung abendländischer Rosenkultur, ihr Vers uns heute sprichwörtlich ist. Gewiss aber kannte Sappho nicht eine einzige Kulturrose aus unseren Tagen oder gar die vielbemühte „Rosenzucht“ heutiger Zeit – und sie wertete ihre Rosen nicht, weder mit einem Präfix („un-“), noch mit einem mit Konnotationen beschwerten, deutungsbedürftigen „Vorwort“ namens „Wild“. Wohl aber legte sie ihren Zeitgenossen und dem Göttervater Zeus nahe, dass es diese Rosen sein müssten, wenn eine Pflanze aus der Vielfalt der Natur geadelt werden solle …
Das sehen nicht wenige Gärtner/-innen bis heute so. Der alte, sapphische Blick in den eigenen Garten tut der Rosenkultur gut.
Was Frau Sappho gesehen haben dürfte, es waren wohl einige Naturrosen und eine Handvoll früher Naturhybride …
Schütteln wir unsere ungewollt mitschwingenden Konnotationen zu Begriffen der Rosenkultur ab, öffnet sich der Horizont für die Vielfalt der Rose, die in dieser offenen Kultur beheimatet ist und bleiben sollte.
Die Weisheiten des Marktes einmal selbst zum Besten geben?
Besser nicht. Was aber von derartigem Rosenlatein eines Urgesteins der Rosenwelt weiterwirkt, ist das freie Zitat. Austin wird zitiert, kaum kritisiert. Das mag dem Markterfolg seiner Rosen gezollt sein; gewiss auch einem Wunsch, die Dinge vereinfacht sehen zu können:
Welch fragwürdiges Bild der Rose wir durch das Durchreichen der Lehren des modernen Marketings vermittelt bekommen und selbst weitertragen, mag man bedenken. Beispiele für die Verbreitung der Rosenlehre von Austin finden sich zu genüge:
Zitat – Zitat – Zitat
Das Zitat: Im World Wide Web
Ein klassisches Zitat, einmal mehr exemplarisch aufgeführt: Die Englische Rose vereine
(…) den Charme der Alten Rose mit den Vorzügen Moderner Rosen (dauerblühend, größere Farbpalette).[*]
[*] www.welt-der-rose.de, 2009.
Derlei sind zitierte „Weisheiten“. Abgeschrieben, könnte man auch sagen. Mittlerweile schon ohne Quellenangabe im Umlauf. Nicht nur im „World Wide Web“, wo Quellen zu nennen ohnehin unüblich zu sein scheint. Es wird so getan, als ob hier ein Sachverhalt beschrieben würde – an dem man gern selbst glauben will. Im zu findendem Original heißt es:
Englische Rosen vereinen den feinen Charme und Duft der Alten Rosen mit der breiten Farbpalette und der langen Blühdauer moderner Rosen.[*]
[*] Austin, Katalog 2004.
Erstaunlich, wie diese Marktinteressen vor jedweder Rosenkultur zu stehen kommen können. Das Zitat im „Onlineshop“ ist nachvollziehbar; „Englisch“ verkauft sich über solche Sätze immer noch gut.
In diversen Plattformen des Internets aber sind diese freien Zitate befremdlich. Selbst in der Fach- und Sachliteratur jongliert man fleißig derart beliebiges Markt-Latein: Wenn der Papst das Zepter seiner Rhetorik schwingt, wird in der Rosengemeinde gerne mitgebetet.
Geben Sie in der Suchmaschine Ihrer Wahl das Stichwort „der Charme der Englischen Rose“ ein. Vom Alleswisser Wikipedia über öffentliche Rosengärten bis zur piefigen Dorfgärtnerei, die ihren dreizeiligen Auftritt in der Regionalpresse zu Schöner Wohnen bekommt: Man meint, diese Weisheiten des Rosen-Papstes einmal selbst zum Besten geben zu müssen, als dass in diesen modernen Wollschweinen des Rosenmarktes sich der „Stil des Alten“ spiegle …
Wortwörtlich wiederholt, so dass man den Überblick verliert, wer wo bei wem abgeschrieben haben dürfte.
Zu finden ist derlei in Wort und Bild allerorts, zum Beispiel auch in Video-Beiträgen bei „YouTube“.
Exemplarisch muss hier Olga herhalten, deren Beitrag Historische Rosen
(richtigerweise) mit einer Alba beginnt, um sogleich ihre Präsentation mit Sorten eines zeitgenössischen Engländers fortzusetzen. Kurzerhand werden im selben Atemzug Wildrosen und Hybride gleichfalls unter diesem Titel „Historisch“ ihrer Bildersammlung „vereint“. Irgendwie „hübsch befundene Blüten“ erscheinen Frau Olga offenbar grundsätzlich „historisch“.
Ein harmloses Beispiel, mag sein, zeigt es aber doch, wie Rosen und Begriffe unbedarft zusammengebracht werden; nicht nur in der Werbung. Dabei kann Frau Kor es viel besser, unter dem Begriff Rosen, ebenda: Unter dieser Rubrik können Sie und Frau Kor alle Rosen auflisten – oder eine beliebige Auswahl, so wie Sie es wollen. Es sollte dann nur eine Rose sein – und keine Primel. Hilfreich wäre ferner ein knapper Satz, warum Sie Ihre Auswahl ausgerechnet unter diesem großen Sammelbegriff „Rosen“ listen – anstatt unter „Meine Lieblingsrosen“ oder unter „Die Rosen meines Gartens“.
Das Zitat: Die Rosenkenner …
Selbst eine Frau Schade zeigt sich marktkompatibel souverän im Umgang mit diesem „Englischen“, wenn sie bei der Betrachtung von Blüten anderer Züchter, stellvertretend für den geneigten Leser, unvermittelt „Austin-Rosen“ in sich spürt:
Der allgegenwärtige Charme der Englischen Rose
.
Zu dieser Rose bei Sievers. (Hier auf der Seite: ‘Everblooming Moss’)
Eine Moosrose „im Stil des Engländers“? Da schüttelt es einem …
Ein eitles, marktorientiertes Gequassel durchzieht diese Rosenwelt, in der Kritik mit desorientiert großen Augen begegnet wird, deren zugehörigen Münder aufgeschreckt sich zum Satz formieren, dass „diese oder jene Rose doch „Alte Rosen“ seien!“ Nein, sie sind es nicht; sie werden dazu gemacht. Und Dein Mund weiß nicht, was Deine Augen sehen! Rosenkultur von klugen Marktstrategen unter einem Deckmantel gebracht, durch den kein Lichtstrahl mehr durchdringt, der geeignet wäre, den suchenden Blick der Gärtner/-innen wieder weit, offen und frei in die Kultur der Rose schauen zu lassen. Stattdessen diese dumpfen, schattenlosen weil gestaltlosen Vokabeln von irgendwelchen „alten und modernen Rosen“ und deren „Stil und Charme“; als verstünde man ernsthaft, was diese zelebrierte Sprache uns noch hören, lesen, sprechen und sehen lässt.
Das Zitat: Die Rosenzüchter
Selbst Rosenzüchter wie ein Herr Noack – aus dem guten deutschen Gütersloh – wird gläubig, wenn es den Verkauf seiner Rosen fördern könnte, indem er unter Besonderes
seiner ‘Timeless’ das Charakteristika sieht, dass diese Rose (im Laub oder der Blüte bleibt leider unklar) irgendwie an diesen Charme der Englischen Rosen [erinnert]
. Da schau einer hin: Wenn einem zur eigenen Zucht schon nichts mehr einfällt, wähle man einen international tauglichen Rosennamen und erinnert „Englisch“
. Verzeihen Sie diesen etwas hilflosen Spott.
Der Charme der Englischen Rosen
an einer „deutschen Rose“.
Das Wesentliche nüchtern als Text
Es ist nicht Herrn Noack eigen, diese unbeholfene Adaption des „Englischen“. Die Rosenreihen rund um „Romantik und Nostalgie“ lesen sich nicht besser und werden international geübt. „Englisch“ verkauft sich gut – da will jeder Vertrieb teilhaben.
Der Charme der Alten Rose mit den Vorzügen der Modernen Rose …
– der New English Roses wohlgemerkt, insofern man zum Anspruch von Austin zurückkehren will, eine eigene Rosenklasse etabliert zu haben, an die ein Herr Noack und Gefolge gerne markttauglich „erinnert“ – mit (wohlgemerkt) verkaufseigenen Interessen.
Von wo aus auch immer Sie hinschauen, es ist wenig charmant: Es wird auf dem Markt der Rose beliebig aus diesem Sammelsurium der verbreiteten Austin-Weisheiten gegriffen, an ihnen herum gedeutet, ein eigenes begriffliches Profil eingehaucht, weil sich all dies überall gut vermarkten lässt – und der Mensch offenbar betrogen sein will.
Wer zu den „Großen“ (Züchtern) gehört und somit seine eigenen Reihen zu vermarkten hat, passt seine Begrifflichkeiten halt an: Anstatt auf einen erfolgreichen Mitbewerber hinzuweisen, lieber über „nostalgisch, romantisch, märchenhaft …“ den eigenen Marktanteil benennen; es ist Marketing für das eigene Produkt, das derart sprachlich gefasst natürlich Einfluss nimmt auf unsere Wahrnehmungen der Rose. Wer freilich zwei Dutzend dieser „Reinkarnationen“ durchprobiert hat und zudem noch „Alte Rosen“ kennt, dem dämmert es möglicherweise: Für dieses nachvollziehbare und legitime Vorgehen des Marktes gibt es keine bessere Zielformulierung als unser Geld.
Nur der Rosenkultur selbst, insofern Begriffsgläubigkeit doch ein Problem sei, tut derlei gewiss selten gut. Was sich hier spiegelt, ist das Geschäft mit Rosen, nicht deren Kultur …
Austin-Weisheiten in Variationen im „Online-Shop“ diverser Schulen und Gartencenter, breitgetreten in gern bemühten Informationsquellen des Internets „rund um Rosen“; in Zeitungen und Fernsehen, beide Medien diesbezügliche Beiträge der Vorjahre zu kopieren scheinen, um mutmaßliche Erwartungshaltungen ihrer Leser und Zuschauer der „Garten- und Rosensparte“ treu und bindend zu bedienen; in den Foren bis sogar in der Rosen-Literatur zu finden: es sind leider Weisheiten der Werbung.
Und die „echten Liebhaber“? Die Rosenkenner? Die „Experten“ und somit die Leute vom Fach?
Aber ja, die zitieren auch, denn unter „English“ verkauft sich fast alles gut: Wenn nicht die Rosen des eigenen Sortiments, so wenigstens der eigene Senf zur Rosenkultur. „English“ wird immer wieder gern gelesen und zitiert. Wohltuend für jede Buch-Auflage, für Einschaltquote in Film und Fernsehen und für eine wohltuende Beachtung in Foren sowie „Homepages“ aller Art.
Jede Wiederholung eines dumpfen Kanons – so lehrt es nicht nur die Werbung – erzeugt die Illusion der Teilhabe an Wissen.
„Die Krönung des „Englischen““: Das Zitat im Europa-Rosarium
Selbst das Europa-Rosarium Sangerhausen (ERS) zitiert aus der Welt von Austin und bestückt damit seine Informationstafeln für die Besucher des Parks. Anstatt eigenes Gedankengut auch hier: Wiederholung. Die verhaltene Kritik des ERS erschöpft sich in einer müden Anmerkung, dass „Englische Rosen“ irgendwie doch keine eigene Rosenklasse seien:
Zitate anstelle von Informationen in einem Rosarium, das unabhängig und wissenschaftlich unterwegs sein will.
Die historische Rose wieder einmal mehr reduziert auf Blüte, Duft und einem, von wem auch immer gesehenen imaginären „Charme“. Gefüllt, stark duftend, „der Stil der Alten“.
Tausende Rosen der Jahrhunderte der Rosenkultur im Park – und auf dieser „Infotafel“ dieses eitle Spiegelbild moderner Zucht. Verkaufsportale mögen ja diesen Zeitgeschmack bedienen – aber dieses Rosarium?
Die relativierenden Worte der Infotafel, als dass „New English Roses“ eigentlich keine eigene Rosenklasse sind
, wurde nicht nur durch das folgende Werbelatein auf dieser Tafel und von der Dame des Rosengrüppchen ad absurdum geführt, vielmehr in riesigen Schautafeln im glasüberdachten Restaurant-Bereich nahe des Eingangs, wo unter Rosen-Klassen
neben den althergebrachten Alba-, Gallica-, Zentifolien-Rosen sowie Tee-Hybriden und Polyantha und so fort nun doch explizit folgende Desinformation geordnet war:
Lerntafel über Rosenklassen? Dort zu finden:
[Zitat] Diese Rosenklasse wurde durch den englischen Rosenzüchter David Austin kreiert (…)
Zwei Texte des ERS einmal trocken notiert für alle, die dort Informationen suchen – und schließlich halbklug verbreiten
… abgesehen von dem Unsinn, dass nur die Briten „English Roses®“ als Rosenklasse für sich etablierten … eine eigenbrötlerische Form von „Nationalstolz“ in der Rosenkultur …
Wer mit diesem Stil „Alter Rosen“
neuerdings nichts anzufangen weiß, mache sich doch einfach hier kundig:
Der viel bemühte Longwood Garden
in Montreal definiert die Old garden roses (prior to 1867)
bequem für alle mit double fragrant flowers
und mit einer Blütezeit irgendwo im Juni und Juli. Na dann; je einfacher man es sich macht, desto dümmer liest es sich, diese Geschichte einer Ordnung der old garden roses
.[*]
[*] Klüger unterwegs sind folgende „Quellen“ auch nicht: „Alte Rose“ [Wikipedia], „Alte Rosen“ [„Gartenberatung“] … da zitiert der eine bloß, was ein anderer schon längst zitiert hat. Klug macht die Lektüre dieser Zitatenwelten nicht … Also, mit Verlaub, ich sehe in diesen Zitatenwelten nicht allzu viel Rosenkultur, jedoch eine Menge Geschäft und Gedankenlosigkeit …
Im ERS präsentiert sich dieser modernisierte „Stil „des Alten““ in gewaltigen Tuffs, welche geeignet sind, den unbedarft hinschauenden Rosenfreund staunend zu machen – und möglicherweise zum „Shopping“ zu verleiten.
Pro Sorte üppigste Tuffs [Link zeigt ein Beispiel aus diesem Beet der Austin-Züchtungen]. Anstatt auch diese Rosen zu zeigen, wie sie als Einzelpflanze am jeweiligen Standort wachsen, ein aufgepflanzter „Schaukasten“.
Das Foto zeigt die Gärtner/-innen des Parks bei der Arbeit – und eine Besucherin.
Eine Präsentation dieser Kreationen
[ERS] wie auf dem Rosenmarkt, der mitunter (magere) Containerrosen dicht an dicht stellt … und via „Informationstafel“ Geschichten erzählt: Wer fragt kritisch nach und wer guckt schon nach unten, wenn einem oben was blüht …? Kein Mensch, wie es diverse Verkaufspraktiken lehren.
Ich selbst, wie gesagt, stand im Beet der Moschata-Hybriden. Die sahen – hübsch vereinzelt – so aus (also, wie es sich gehört und im Park anderweitig gängige Praxis ist: eine Pflanze pro Sorte):