Rosen, Logik und Klassifikation
Die Empfehlung Schopenhauers mag für die künstlerische (musische) Intelligenz zweitrangig sein; Klassifikationen jedoch arbeiten mit Begriffen und deren Definitionen. Wer mit Begriffen arbeitet, unterliegt der Logik. Versuchen wir also, dem Leitgedanken Schopenhauers zu folgen und die Begriffe der Rosen-Klassifikation sowie deren Verwendung auf dem Rosenmarkt einmal recht nüchtern zu betrachten: als deutlich gedachte Begriffe.
Wenn „Rose“ ein Allgemeinbegriff ist, dann sind die Begriffe „Moderne Rosen“, „Alte Rosen“ sowie „Wild-Rosen“ Individualbegriffe. Denn ein Allgemeinbegriff ist ein Begriff, der einen größeren Umfang hat als ein Individualbegriff. Alle zuletzt genannten Begriffe, die in irgendeiner Hinsicht spezifiziert wurden, sind in dem Allgemeinbegriff „Rose“ längst schon enthalten.
Rose
- „Wildrosen“
- „Alte Rosen“
- „Moderne Rosen“
Das Allgemeinere wird in den Individual-Begriffen der Rosenklassifikation nur näher benannt, zum Beispiel: Wild- (Individualteil) Rose (Allgemeinteil). Der Individualteil unterliegt dann einer jeweiligen Definition oder einer umschreibenden Bestimmung. Danach können wir fragen:
Bevor man an diese Frage herangeht, bleiben wir noch ein Stück bei der „trockenen Logik“:
Die Logik: abwärts wie aufwärts …
Individualbegriffe können durchaus selbst Allgemeinbegriffe sein und als solche verwendet werden. Zum Beispiel Wildrosen: R. nitida, R. eglanteria, R. spinosissima und viele einzelne Rosenarten mehr.
Diese einzelnen Wildrosen-Arten sind Individualbegriffe des Gruppen- und Allgemeinbegriffs „Wildrosen“.
Nach diesen Wildrosen-Arten können wir ebenfalls fragen, zum Beispiel derart: Worin liegen eigentliche die Unterschiede zwischen den einzelnen Wildrosen-Arten; und worin deren Gemeinsamkeiten (die es uns erlauben, die verschiedenen Arten unter einem Begriff zusammenzufassen)?
Diese Begriffs-Logik finden wir natürlich auch bei den anderen Begriffen der Rosenordnungen. Gleich, wo wir hinschauen. Etwa im zweiten Beispiel Alte Rosen: „Alba-, Gallica-, China-Rosen“ und viele Rosenklassen mehr sind Individualbegriffe des Gruppenbegriffs „Alte Rosen“.
Die einzelnen Rosenklassen können ihrerseits als Allgemeinbegriffe gebraucht werden. Zum Beispiel China-Rosen als Allgemeinbegriff: Die verschiedenen Rosen-Sorten in der Klasse der China-Rosen sind dann Individualbegriffe.
Und so fragen wir danach, welche Unterschiede wir etwa im Vergleich einer Gallica-Rose zu einer China-Rose benennen wollen …
Anders formuliert:
Bei der Klasse „Moderne Rosen“ gestaltet es sich natürlich nicht anders: „Moderne Strauchrosen, Edelrosen, Zwergrosen“ und viele Rosenklassen mehr sind Individualbegriffe des Gruppenbegriffs „Moderne Rosen“ …
Diese Begriffslogik führt zu der vertrauten Tafel der Klassifikation (hier vereinfacht):
Rose
- Rosengruppen
- Rosenklassen
- Rosensorte
- Rosensorte
- Rosensorte ‘XY’
- (…)
- Rosenklassen
Das größte Gut ist es, jederzeit klar zu denken.[*]
[*] Ἀγαθὸν μέγιστον ἡ ϕϱόνησίς ἐστ´ ἀεί. Alternative Übersetzung: Jederzeit klar zu denken, es ist das wertvollste Gut.
Men.Mon.12 (Menandros bzw. Menander, Monosticha), Aristophanes, Guileimi Dindorf, Paris (Firmin-Didot) 1884.
Die logische Struktur von Rosen-Ordnungen ist demnach recht einfach, es liest sich nur etwas schwer:
Die einzelnen Rosensorten (zum Beispiel ‘Apothekerrose’) sind begriffslogisch Individualbegriffe.
Deren Allgemeinbegriffe sind die einzelnen Rosenklassen (zum Beispiel „Gallica-Rosen“).
Die einzelnen Rosenklassen sind in Bezug auf den jeweiligen Gruppenbegriff ihrerseits Individualbegriffe: Die Gruppenbegriffe („Wildrosen, Alte Rosen, Moderne Rosen“) sind deren Allgemeinbegriffe.
Die drei Gruppenbegriffe aber können wieder selbst Individualbegriffe sein: in Bezug auf den Allgemeinbegriff „Rose“.
Eine „Restmenge“ kennt diese Ordnung der Rose nicht; alle Rosen werden in dieser Struktur eingebunden. Wohl aber sind manche „Individualbegriffe“ (Beispiel ‘XY’ der obigen Schematafel) nicht zwingend eindeutig eingeordnet, so dass zum Beispiel einzelne Rosensorten sowohl in dieser und jener Rosenklasse stehen. Die Fachwelt streitet sich dann, welche Einordnung der Sorte die richtige sei …
Für diese Einordnungen oder Zuordnungen benötigen wir wieder Definitionen oder umschreibende Bestimmungen. Wir benötigen diese Definitionen, um uns überhaupt darüber streiten zu können, was in Anbetracht des Einzelnen richtig oder falsch sei.
Beispiele:
- Wir bestimmen, Gallica-Rosen zeigen diese und jene Merkmale; diese einzelne Rose dürfte eine Gallica-Rose sein, denn sie zeigt diese Merkmale …
- Die Mutter der zweiten Sorte ist eine Hybrid-Tea, somit ist nach Übereinkunft auch die Sorte selbst eine Hybrid Tea; denn die Mutter bestimmt laut dieser Übereinkunft die Zuordnung zur Klasse …
- Die Sorte ‘Ferdinand Pichard’ züchtete Tanne 1921; diese Rose ist trotz des späten Zeitpunktes der Kreuzung HEUTE eine „Alte Rose“ und war DAMALS im Jahr der Züchtung 1921: keine „Alte Rose“ – denn zu diesem Zeitpunkt gab es diese Neuordnung noch nicht.
Diese Einordnung der Rose haben wir sozusagen für uns neu erfunden.
Diese Rose von Tanne aber gehörte DAMALS und weiterhin HEUTE zu der Rosenklasse der Remontant-Rosen, eine überlieferte Rosenklasse, die laut einer zeitlichen Definition von 1966 durch die American Rose Society (ARS) des Begriffs „Alte Rosen“ schonvor 1867
bestand und somit im heutigen Rückblick unter diesen Gruppenbegriff „Alt“ gehört (insofern wir diese Ordnung gebrauchen wollen); ein recht beliebiges Datum also trennte für uns via einer Definition die „älteren Rosen-KLASSEN“ von allen „Modernen Rosen-KLASSEN“, letztere gedacht werden, dass sie allererst nach diesem (beliebigen oder austauschbaren) Datum1867
entstanden sind.
Man ahnt wohl, dass hierin allerlei Stoff für lebhafte Diskussionen verborgen liegt. Etwa anhand der drei Beispiele erfragt:
- Welche Merkmale wollen wir denn bestimmen, dass wir sagen können, diese oder jene Rose sei eine Gallica-Rose?
- Woher kommt überhaupt jene Übereinkunft, dass die Mutter einer Züchtung die Klassenzugehörigkeit bestimmt? Und was machen wir mit der Vielzahl an Sorten, deren Eltern uns gar nicht bekannt sind? Können wir solche Rosen über definierte Merkmale allein eindeutig bestimmen?
- Und beim dritten Beispiel könnten wir fragen, welche Definition und insbesondere, ob die zeitliche Definition der ARS Sinn mache für die Bildung von Gruppenbegriffen; und wir können darüber die Frage stellen, was eine „Hybrid Tea“ überhaupt ausmache und was diese Klasse mit dem Datum „1867“ zu schaffen habe, ein Datum und eine Rose, beides zusammengenommen offenbar für die Definitionen der ARS maßgebend waren.[*]
[*] Siehe dazu ‘La France’ und die Frage nach dem Klassentyp der Hybrid Tea („Edelrosen“).
Das einzige Unstrittige ist der Allgemeinbegriff „Rose“ selbst, der zwar als eine von vielen Pflanzengattungen auch ein Individualbegriff der biologischen Ordnung ist, jedoch werden wir keine Rose in einer anderen Pflanzengattung eingeordnet finden, weil die Biologen und die Systematik sich uneins wären, ob es eine Rose oder etwa eine Primel sei …
Möglicherweise haben Sie schon zur Erkenntnis gefunden: Ordnungen? Die erfinden wir alle selbst!
Die Erfindung namens „Ordnungen“
Der begriffslogische Aufbau der Rosen-Klassifikationen erlaubt die Einordnung verschiedenartigster Rosen – und zwar in beliebigen (der Anzahl nach), in zweckdienlichen oder etwa in kulturhistorisch entstandenen Klassen und Gruppen.
Auch die (wissenschaftlich fundierte) „biologische Ordnung“ ist nicht Gott gegeben oder Eins zu Eins aus der Natur herausgelesen: Von den Anfängen bis zur Gegenwart unterliegt auch diese Ordnung der Wissenschaft einem stetigen Wandel, begründet etwa durch verbesserte oder neue Erkenntnisse, welche in neuen Definitionen oder begrifflichen Bestimmungen und letztendlich in einem Umbau der bestehenden Ordnungen mündet.
Ordnungen sind keine starren Gebilde.
Diese Bewegungen der Ordnungen gilt natürlich auch für alle Ordnungen der Rosen auf dem Rosenmarkt, der freilich nicht wissenschaftlich, sondern orientiert an den „Gesetzen des Marktes“ unterwegs ist. So erfindet der Mensch sogenannte Rosenreihen des Rosenmarktes, etwa die Rosenreihen „Malerrosen“ (Delbard), „Nostalgie-Rosen“ (Tantau), „Märchenrosen“ (Kordes); und natürlich gehören hierin auch die sogenannten „Englischen Rosen“.
Wir bestimmen selbst, welche Rosen wir aus welchen Gründen wo einordnen. Wie wir den Allgemeinbegriff „Rose“ auffächern und gliedern. Und mit welchem Verständnis wir dies tun. Ob theoretisch sehr fein und fundiert, ob eher leger an der Praxis orientiert, ob historisch überliefert oder nach Belieben frei erfunden.
Ein Beispiel:
Alle Rosen der neueren Zucht ordnen wir zur Gruppe „Moderne Rosen“ (denn diese einzelnen Sorten finden ihre Zuordnung in denjenigen Rosenklassen, die laut der Definition der ARS nach 1867 entstanden sind.) Somit sind die Rosenreihen der neuzeitlichen Zucht „Moderne Rosen“; allesamt, insoweit wir diesen Ordnungsbegriff verwenden wollen.
Verwenden wir diese Ordnung, gehören die Sorten der zeitgenössischen Züchter eindeutig in die bestehenden Klassen dieser Gruppe „Moderne Rosen“. Bei Austin etwa sind es (überwiegend) „Moderne Strauchrosen (einmalblühend, öfterblühend), (großblumige, kleinblumige) Kletterrosen“ usw.
Bedienen wir uns somit des Ordnungsbegriffs „Moderne Rosen“, können wir die Zuchtergebnisse der Gegenwart zu den vorgegebenen Rosenklassen dieses Gruppenbegriffs ordnen.
Ebenso aber können wir manche Zuchtergebnisse der neueren Zucht auch in die Rosenklassen des Gruppenbegriffs „Alte Rosen“ einordnen, insofern wir die zugrundeliegenden Definitionen oder begrifflichen Bestimmungen verwenden.
Ein Beispiel hierfür bietet die “Großblumige Hybride von Lens”, vermutlich eine Gallica-Hybride des belgischen und neuzeitlichen Züchtern Lens. Oder die oben schon genannte und bekanntere, recht späte Remontant-Rose ‘Ferdinand Pichard’ vom deutschen Tanne aus dem Jahr 1921, die mit ihren gestreiften Blüten bis heute beliebt und auf dem Markt ist. Diese Sorte ist wunderbar geeignet, die heutigen Ordnungen denken zu lernen.
Sie können sich auch selbst an die Aufgabe machen, eine „Gallica-Hybride“ oder eine „Remontant-Rose“ zu züchten. Warum nicht. Ihre Rose wäre dann gemäß der Definition von „Alt“ und „Modern“ eine „Alte Rose“. Wäre die Neuordnung in 1967 nicht auf den Markt gekommen, hätten Sie halt eine „Gallica-Rose“ oder eine „Remontant-Rose“ gezüchtet: Punkt. Beziehungsweise Komma: Denn wenn Ihre Rose genetisch betrachtet zwar als eine Remontant-Rose einzuordnen sei, phänotypisch aber auch als „Edelrose“ erscheint, könnte es Ihnen und Ihrer Rose passieren, dass Ihre Sorte auf dem Markt unter „Alte Rose“ und „Moderne Rose“ zugleich geführt wird – hier ist der Markt nicht selten recht flexible. Die Bibernell-Rose ‘Stanwell perpetual’ und andere Rosen dieser Art finden Sie gelegentlich unter „Historische Rosen“, obgleich es keine sind, es sind Wildrosen-Hybride und damit besser unter dem Gruppenbegriff „Wildrosen“ aufgehoben. Vergleiche in diesem Sinne das Beispiel ‘Gruß an Aachen’ – mitunter macht auf unserem Rosen-Markt bald jeder, was er will …
Im Kern sind die Gefüge einer jeden „Ordnung“ hiermit skizziert. Und wir können uns daran versuchen, die hergestellten Bezüge des modernen Rosenmarktes weniger als Beitrag zu einer Ordnung der Rose zu verstehen, sondern als marktübliches Werbelatein und oder als geschickte Verkaufsrhetorik eines immer rascher agierenden Marktes. Namentlich die sogenannten „Rosenreihen“ und deren „Charakterisierungen“ sind ein Kind dieser, unserer Neuzeit – mit all ihren Spielarten rund um die Charakterisierung von „Alt“ und „Modern“. Diese Spielarten aber wollen gar keine bessere Ordnung „der Rose“ bieten, sondern die hauseigenen Rosen besser verkaufen. Zwischen diesen beiden Ebenen scheint es mir in den Gärten der Liebhaberei Verwechselungen zu geben.
Fragen wir einfach nach all diesen „Charakterisierungen“ des Marktes, nach den begrifflichen Bestimmungen oder gar nach den strengeren Definitionen der verschiedensten Begriffe, die unserer Rosenkultur zu prägen scheinen.
Das Problem mit den uneinheitlichen, mitunter beliebig zu nennenden „Definitionen“ und „begrifflichen Bestimmungen“
Die Regeln, nach denen einzelne Rosensorten in Rosenklassen (und schließlich in Gruppen) eingeordnet werden, sind keineswegs einheitlich oder gar „exakt“; geschweige denn die Rosenreihen und Begrifflichkeiten des neuzeitlichen Rosenmarktes. [Die bestehenden Rosenordnungen des Rosenmarktes, dies sei durchaus einmal mehr wiederholt, sind kein Ergebnis biologischer Systematik, sondern zum Beispiel kulturhistorisch gewachsen oder – in neuerer Zeit – schlicht zweckorientiert begründet.][2]
[2] Vergleiche dazu: „Die Gattung Rosa L. [PDF-Datei].
Wildrosen im Europa-Rosarium Sangerhausen nach ihrer Verwandtschaft geordnet“: Bietet einen Einblick in die Arbeit wissenschaftlicher Klassifizierung am Beispiel der Wildrosen-Sammlung im Europa-Rosarium Sangerhausen. Diese Arbeit der Botaniker hat wenig mit den Ordnungen des Rosenmarktes gemein; wenngleich der Rosenmarkt gerne so tut als seien seine Zuordnungen „belegt“ und „eindeutig“, obgleich sie bestenfalls als „sinnfällig“ und „zweckdienlich“ charakterisiert werden könnten.
Diese fehlende Eindeutigkeit der (institutionellen) Rosen-Ordnungen als auch die selektive (und uneinheitliche) Charakterisierung der Rosenklassen durchzieht die Geschichte der Rosenordnungen und spiegelt sich sowohl in den Namen etwa der älteren Rosenklassen selbst sowie deren Entstehung wider.[*].
[*] Die bald einzigartig zu nennende Natur der Rose, sich willig (artübergreifend) untereinander zu kreuzen, tut ihr Übriges für all die Schwierigkeiten, die wir haben, Rosen eindeutig zu ordnen.
Einige Beispiele von Klassen und Charakterisierungs-Ansätzen aus der Geschichte bis zur Gegenwart:
- „Portland-Rosen“ ist kulturgeschichtlich definiert.
- „Gallica-Rosen“ ist über Verwandtschaft definiert.
- „China-Rosen“ ist über Herkunft der Sorten definiert.
- „Remontant-Rosen“ ist über eine Eigenschaft der Sorten definiert.[3]
- „Kletterrosen, Beetrosen, Bodendeckerrosen“ sind über (mutmaßlich bevorzugte) Verwendungsmöglichkeiten der enthaltenen Sorten definiert.
- „Strauchrosen“ ist botanisch gesehen überflüssig, ist jedoch bemüht phänotypisch definiert.
- „Floribunda, büschelblütig“ wird über Eigenschaftsbegriffe definiert.
- „Hybrid Tea“ ist genetisch definiert.
- „Edelrose“ ist bemüht phänotypisch definiert – mit einer verkümmerten (genetischen) Anlehnung an den Begriff „Hybrid Tea“.
- “English Roses” ist in der Eigenbrötelei der Briten und über einem Wunschdenken definiert.
- „Strauchrose, einmalblühend“ ist wieder phänotypisch und über eine, beliebig herausgestellte Eigenschaft („einmalblühend“) definiert.
[Fußnote überspringen] 3. Zur Ordnung der „Remontant-Rosen“
„Remontant“ ist der einzige, historisch überlieferte Ordnungsbegriff, dem eine Eigenschaft zugrunde liegt: eine saisonal wiederholte Blüte.
In diesem Begriff kommt zum Ausdruck, was damals innerhalb des abendländisch-europäischen Raums „neu“ war, nicht jedoch in der fernöstlichen Rosenwelt, wo eine wiederholte Blüte der Sorten nicht unbekannt war. Rosen mit saisonal wiederholter Blüte haben ihre Heimat und Ursprungsort in Fernost. Eine Handvoll dieser Rosen fand im Zuge des Handels sowie über die damalig gepflegte „Mode“ einer gewissen Bildungsschicht rund um „Pflanzenjäger und -Sammler“ erst etwa Ende 18.Jh den Weg ins Abendland. Hier war diese Blüheigenschaft quasi „revolutionär“ und wurde offenbar mit einem solchen Wert bedacht, dass Rosen aus der folgenden Zucht diesen neuen Ordnungsnamen in der europäischen Rosenwelt erhielten (obgleich fast zeitgleich eine Vielzahl anderer Rosen aus anderen Klassen diese Eigenschaft des Blühens ebenfalls zeigten); der Begriff „Remontant“ zeigt eine Beachtung und Wertschätzung dieser Eigenschaft, wie es auch schon in dem alten Sortennamen ‘Quatre Saisons Continue’ zum Ausdruck kam; hier freilich als „sortenspezifische Eigenschaft“ einer Damaszener.
Siehe dazu: Sangerhausen historisch [Foto 1–2]
sowie die Besprechung des Gedichts von Wieland (1733–1813) ebd. [Sprung zum Absatz], dessen Gärtlein
, das jeden Monat Rosen trägt
, aus der Zeitwinkel Wielands bestenfalls ein Wunschtraum war – und in der heutigen (Fehl-) Interpretation oft ein übersehener Anachronismus bleibt, auch wenn Wieland in der Rosenwelt gern zitiert wird als vermeintlicher Beleg für einen „hübschen“, alten Vers rund um das Gärtnern mit (saisonal wiederholt blühenden) Rosen. Besonders dann wird diese Deutung schief, wenn nur die erste Strophe zitiert und bemüht wird.
Dieser zuletzt genannten alles vereinfachenden „Liebelei“ rund um Rosen am Beispiel im Umgang mit Dichtkunst sei entgegengehalten, dass derlei „Vereinfachungen“ in der Rosenkultur (innerhalb einer „modernen Sammel- und Jägerleidenschaft“, etwa im WWW wie in den Gärten zu finden) dieselbe Rosenkultur nicht reicher und „hübscher“ machen, sondern nur banal. Etwas böse vielleicht zusammengefasst – jedoch dadurch deutlich gesagt – unter Dem Dauer-Schwelgen zum Trotz [Sprung zum Absatz].
Dass diese Rosenklasse der Remontant sogar für eine Neuordnung der Rosenvielfalt hätte dienen können, zeigt das Gedankenexperiment im Absatz Neue Ordnungen – neue Denkkategorien [aus: ‘La France’ und der Frage nach dem Klassentyp der Hybrid Tea]. Zeigt es doch gut, wie Begriffe uns lenken – und das die heute geltenden Ordnungen, insbesondere die an den Begriffen klebende Denke von irgendwelchen „Alten“ und „Modernen“ Rosen, weder Gott noch naturgegeben sind sowie nicht immer den besten Einfluss nehmen auf Entwicklungen innerhalb der Rosenkultur; eingeschlossen sei der deutliche Hinblick auf die Vermarktung der Rose und auf die Gestaltung unser Hausgärten und Parkanlagen.
[Ende Fußnote] zurück zum Textabsatz
Die einzuschränkende Aussagekraft oder Brauchbarkeit von Ordnungen
Die Zuordnung solcher Rosenklassen zu den Rosen-Gruppen „Alte Rosen“, „Moderne Rosen“ erfolgt durch jene austauschbare zeitliche Definition der American Rose Society (ARS) in den Ländern, wo diese Ordnung im Gebrauch ist (was keineswegs weltweit der Fall ist und sich geschichtlich auch anders hätte begründen können).
Dass über diese Strukturen der gängigen und gewohnten „Rosen-Ordnungen“ zwar die Definition neuer Gruppen oder Rosenklassen denkbar ist, versteht sich. Etwa die Erfindung einer neuen Rosengruppe namens „Post-Moderne Rosen“; oder eine neue Rosenklasse namens „kletternde Strauchrosen“ (ähnlich dem schon bestehenden Begriff „kletternde Zwergrosen“). Eine solcherart neue Rosengruppe oder Rosenklasse ließe sich zum Beispiel zweckorientiert definieren, also hinsichtlich einer mutmaßlich bevorzugten Verwendung der Sorten; eine solcherart Neuordnung ließe sich freilich auch beliebig zeitlich definieren, wie es ehemals die ARS gemacht hat. Die Frage aber dabei ist:
Und eben diese Fragen sind zu stellen, vom „Rosenkenner“ bis zum „einfachen“ Rosenfreund. Fragen, die öffentlich kritisch und selbstkritisch zu diskutieren sind, wenn eine Züchter-Werkstatt eine neue Rosenklasse definieren will, die da heißen soll English Roses[®]
– ein Begriff, der dann (bald als schizophren zu nennen) mit „Handelsschutz-®“ zu denken wäre und ohne als Ordnungsbegriff. Ein Spagat, das einmalig ist in der Rosengeschichte: Ein frei erfundener Reihenbegriff für die Vermarktung macht sich auf, zum allgemeinen Ordnungsbegriff zu werden. Hier wird ein neuzeitliches Tor in der Rosenwelt geöffnet, dass besser nie erfunden worden wäre; dann wären die Verlockungen und Begehrlichkeiten nicht existent, dieses und andere solcherart Tore öffnen zu wollen, um vermeintlich sachliche und zweckdienliche Einblicke in die Geschichte und Kultur der Rose zu lehren.
Dass solcherart Bemühungen rund um die Einführung dieses Begriffs English Roses
als neue Rosenklasse keine Substanz haben, zeigt exemplarisch der Beitrag Charme einmal vererben?
Ausführlicher dargelegt unter Das Gen „Engli(s)h“.
Wir sollten solcherart Bemühungen rund um die Einführung derartiger Allgemeinbegriffe eine Absage erteilen – sie nicht in unserem Denken zulassen. Solche Begehrlichkeiten in ihrer oberflächlichen Handhabung unserer Sprache machen so manchen Blick in die Vielfalt unserer Rosenkultur nur arm.
Üben wir uns besser und lieber in einem selbst geschulten Blick auf die Vielfalt der Rose!