Das Alte-Rosen-Management und die Rosen

„Ich kenne Alte Rosen
nicht, Moderne Rosen
nicht und
Wildrosen nicht.

Rosen aber
lieb’ ich.“

– Gedankensplitter

[Quintessenz: Stichwortartige Sätze kurz erläutert: über die eigene Rosenliebhaberei; über die Vermarktungsformen von Rosen auf dem Rosenmarkt und die Folgen für die Rosenkultur.

Kümmern wir uns also um „Alte“ und „Moderne Rosen“! Am besten machen wir das selbst! Und: Wir vergessen die „Wildrosen“ nicht …

Lernen wir also, den Einfluss des Marktes auf unsere Liebhaberei zu verstehen …
und denken wir die Kultur dieser Pflanze lieber selbst …]

Rose ohne Rendite ist pure Liebhaberei.

Diese Liebhaberei kann sich ein Markt nicht leisten, dessen Umsätze Jahr für Jahr dreistellige Millionenbeträge benennt und mitunter die Milliardengrenze überspringt.
Wer hierin mit seiner Existenz involviert ist, betrachtet die Rose nicht zwingend zuerst über ihren sorteneigenen Duft, über ihre Blütenfülle und Farben oder gar hinsichtlich ihres kulturellen Stellenwertes. „Rose“ ist ein Produkt, das gekauft sein will. Wer Rosen auf dem Rosenmarkt anders sieht, ist naiv.

Nicht jede Aussage, die ein Produkt charakterisiert und werbewirksam anpreist, ist ein Beitrag zur Kultur.

Für das Marketing gibt es keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen Toilettenpapier, Waschmittel, Zahnseide, Rosen oder anderen Produkten.
Die vier „Ps“ von McCarthy zur Bestimmung eines wirksamen Marketing-Mix gelten schlicht für genannte oder beliebig andere Produkte:

Lesen wir als Verbraucher (potenzieller Kunde) von einem neuen Produkt, finden sich diese vier Bereiche mit Sicherheit in der Produktbeschreibung wieder: Der Anbieter erklärt uns, was er zu bieten hat – zum Beispiel durch Werbung vermittelt – nennt den Preis und wie wir sein Produkt erwerben können.
Diese vier Punkte werden in je eigener Leistung erstellt und abgearbeitet.

Die Preis- und Vertriebspolitik sind gewiss wichtig. Aber vorrangig interessiert uns, den Verbrauchern, was wir da eigentlich kaufen sollen und wie es an uns herangetragen wird. Denn glauben wir der Kommunikation des Produktes nicht, ist uns auch der Preis egal – und die Wege, wie wir es bekommen könnten auch.

Jedoch gilt auch: Glauben wir der Kommunikation des Produktes, ist uns mitunter der Preis zweitrangig, selbst dann, wenn er uns überhöht erscheint.

Jedes gute Marketing sucht hier für sein Produkt die Goldene Mitte: Die maximal mögliche Rendite durch einen klugen Zusammenbau des Marketing-Mix als „Gesamtpaket“.

Diese Grundstruktur des Marketings sind seit rund 200 Jahren dieselben. In deren praktischen Umsetzung indessen unterscheiden sich die Epochen deutlich; dies betrifft insbesondere die für uns wichtigere Charakterisierung des Produktes „Rose“ und dessen Kommunikation in der Literatur und in der Werbung seit dem 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart, die heute geprägt wird durch das „World Wide Web“ und einer internationalen Vermarktung.

Die moderne Werbung der Rose ist sprachlich oberflächlich, jedoch werbewirksam, sie ist unsachlich aber berechnend, denn es ist ihr Job, berechnend zu sein.

Rose in der Werbung des 19. Jahrhundert könnte als produktorientiert beschrieben werden: Rose, Züchter und Verkaufshaus waren – neben der Preisgestaltung – Werbung genug. Liest man diesbezüglich die Quellen, ist die damalige Sprache der Werbung recht frei von Hybris der werbenden Personen, von Maßlosigkeit in der Werbung selbst. Ein gewisser Respekt vor der Kulturpflanze „Rose“ ist selbst aus der damaligen Werbung zu entnehmen.

Dies gilt auch für die Formulierungen von Zuchtzielen namhafter Züchter der damaligen Zeit und deren Literatur. Von Vibert bis Geschwind. Vibert vermarktete seine Sammlung nicht als „Französische Rosen“ (was ihm nicht nur den Spott seiner Landgenossen eingebracht hätte); Geschwind wollte keine „verbesserte Alba-“ oder „Gallica-Rosen“; er wollte gute, frostfeste, robuste Rosen züchten. Was für ein einfaches, nützliches, ehrenwertes Ansinnen!

Die moderne Werbung – nähme man sie ernst – leidet durchaus an Hybris, wenn wir etwa von eigensinnig patriotischen „Englischen Rosen“ lesen, von „Neuen ›Alten Rosen‹“, von „Vereinigungen“ vermeintlich objektiver Charakteristika beliebiger Ordnungsbegriffe, von „dauerblühenden Sortimenten“ und von sonderbar erklärten Wegen eines vererbten „Charmes“, von „resistenten Rosen“ in missverständlicher Auslegung des lateinischen Wortes[*] oder gar von den „gesündesten Rosen der Welt“. Ein solcherart „Rosenkrieg der Begriffe“ ist vornehmlich dem modernen Markt eigen – und er trägt zur Rosenkultur nichts bei.

[*] Resistentia für „Widerstand“, der, was im Wort enthalten ist, auch gebrochen werden kann. „Resistent“ meint eher robust, also „widerstandsfähig“; indessen nicht „stets gesund“. Von Natur aus sind die Wildrosen die robustesten Rosen … und nicht etwa die Rosen der Neuzeit.

Der kommerzielle Rosenmarkt kann sich zugute schreiben, dass eine reine Liebhaberei uns wohl nicht die Vielfalt der Rose geschenkt hätte, die uns das Management heute zum Kauf anbietet.

Anderseits bliebe zu fragen, ob wir denn jede „Neuheit“ auch zwingend kultivieren sollten und ob die belehrte Regel, dass weniger mitunter mehr sei, nicht auch für die Rosenkultur gelten könnte.

Gewiss ist, dieses Management verschenkt nichts; es will seine Produkte, gleich was es ist, gekauft wissen. Eine Frage von „Exklusivität“ und Preisgestaltung einerseits, anderseits von Rosen als branchenfremd verramschtes Produkt für die Steigerung von Frühjahrsumsätzen in Lebensmittelgeschäften, Möbel- und Bauhäusern. Mitunter diktiert der Preis unsere Wertschätzung und unser Kaufverhalten.

Aber weder das eine, noch das andere hat mit der Kultur der Rose etwas zu tun, sondern allein mit deren Vermarktung. Im Preis drückt sich „Exklusivität“ nicht nur von „Raritäten“ und Neuheiten aus und versucht sich abzusetzen von den „Allerwelts-Rosen“ des Marktes. Vielmehr finden die Floskeln und Strategien aus der Produkt-Kommunikation hierin ihr Ziel, die schließlich den Preis begründen sollen. Und diese Floskeln und Strategien nehmen heut mitunter bizarre Formen an.[*]

[*] Ein beschämendes Beispiel für das, was unter „Rosenkultur“ kursiert, sei im Zuge des Aufkommens der „Hybrid Hulthemia persica“ (verstärkt ab 2006) genannt.
Auf einen sich „exklusiv“ verstehenden Hamburger Event mit entsprechend angepassten, üppigen Eintrittsgeldern zwecks gewisser Selektion eines bevorzugten Publikums fand sich an einem Rosenstand eine jener „Hulthemia-Hybride“ in einem 7,5 l Container für 98,00 Euro [sic!] etikettiert. Die nicht ganz unbegründete Überlegung des Verkäufers dürfte die gewesen sein, dass auf einem solchen Markt auch ein Interessent zu finden sein müsste, der bereit wäre, diesen Preis für diese „Exklusivität“ einer Rose zu bezahlen. Nicht einkalkuliert hat der Herr, dass die Bezahlung dieser „Exklusivität“ nicht nur ein fettes Portmonee, sondern auch eine ordentliche Portion Dummheit erfordert.
Eine Dame, die über ersteres zu verfügen schien, jedoch vom Letzteren weit entfernt gewesen sein dürfte, erzählte entrüstet über diese Preispolitik des Rosenstandes. Sie führte an, der Verkäufer habe ihr erklären wollen, diese Rose sei eine „Rarität“, als „innovative Neuheitenzüchtung“ frisch auf dem Markt, jedoch innerhalb Europas kaum mehr erhältlich und vermutlich eine der letzten für den Verkauf verfügbaren Pflanzen. Der Kommentar der Dame war treffend: Warum der Herr diese Rose dann nicht selbst behalte und vermehre, anstatt sie zu verkaufen.
Die Antwort des ertappten Herrn, der wohl keine potenzielle Kundin mehr in dieser Dame sah, sei hier nicht zitierfähig.
Die Dame erwarb diese Hulthemia-Hybride: kaum 100 m entfernt an einem zweiten Rosenstand für 28 Euro in 7,5 l Container; immerhin 3,00 Euro mehr als der Durchschnittspreis dieses zweiten Standes für diese „exklusive Rarität“.
Die Dame dürfte wohl mit gemischten Gefühlen die Rose nach Hause getragen haben mit dem Gedanken, dass der Preis samt „Vertriebspolitik“ alleine noch keine „Exklusivität“ macht. Aber hanebüchene Werbung durchaus befähigt sein könnte, ihre Opfer zu finden …

Für die Vermarktung der Rose sind die größten Ordnungsbegriffe der Rosenkultur seit den 1967 Jahren ein willkommenes Instrument geworden, welches von eine ganze Sparte des Rosen-Management nach Belieben bespielt wird und das sich in ihren Melodien um die zeitgemäß erscheinende, marktkompatible Bestimmung dieser Ordnungsbegriffe kümmert.

Benützen wir ein handelsübliches Papiertaschentuch, genügt ein Schnäuzen, um die produkteigene Kommunikation zu überprüfen; die Dinger sind ja alle gleich. Aber bei Rosen?

Die Ordnungsbegriffe der American Rose Society (ARS), welche weltweit Verbreitung fanden und bis heute im Gebrauch sind: „Moderne und Alte Rosen“. Es sind die umfangreichsten Ordnungsbegriffe, die jemals erfunden wurden – und sie prägen seit 50 Jahren das neue Vokabular moderner Rosenkultur – und den Rosenmarkt.

„Alt – Modern“: Es ist eine zeitlich definierte Neuordnung der Rose, die begrifflich und sachlich weder eindeutig noch erforderlich war und bis heute strittig blieb, jedoch seit ihrem Aufkommen unermüdlich mit Inhalten gefüllt wird, als ob es sich bei den beiden Begriffen um einen zweckmäßigen, zu erforschenden Beitrag zur Systematik handle – oder gar um einer Art Benennung von „Gruppen-Individuen“, die man in ihren Eigenarten nun präzise beschreiben und voneinander abgrenzen könne. „Vorfahr, Ahn, Die Alte Rose“: sie sei so und so und so. Die „Moderne Rose“ sei: so und so und so.

Die Substanz solcherart „Charakterisierungen“ ist bei genauerer Betrachtung eine markttüchtige, werbewirksame Bedienung des Zeitgeschmacks. Mehr nicht.

Kulturhistorisch und sprachlich betrachtet sind diese beiden Begriffe hinsichtlich der Eigenschaften von Rosen aussagelos; insoweit der ursprüngliche Ordnungsgedanke zugrunde gelegt wird.
Was wir heute auf dem Markt durch diese Begriffe vertreten und vermittelt finden, war nicht Ziel der ARS.

„Romantische®-, Nostalgische®-, Englische®-, Renaissance®-Rosen“ – und dergleichen – erzeugen einen Markt, der den Glauben schürt, die Rosenkultur stünde in den jeweiligen Verkaufskatalogen und beschreibe eine Reise fortlaufender Verbesserungen des nun unvermittelt verfügbaren „Älteren“ per se; handlich zusammengefasst in irgend-einem Begriff: „Alte Rose“. Und es sei „der Moderne“ auf genealogisch wundersamer Weise nun doch möglich, diesen beliebigen, sprachlich ziemlich unglücklich gewählten Ordnungsbegriffen irgendeiner amerikanischen Rosengesellschaft nachträglich bevorzugte Eigenschaften von Rosen zuordnen zu können – je nach Geschmack und Zeitvertreib – um sie schließlich gar „vererben“ zu können: „Der Duft der Alten Rosen“? „Der Wuchs der Historischen Rose“? „Die Alba-Linie“? Hier versteht die Sprache sich selbst nicht. Und jeder Genealoge schüttelt nur verständnislos den Kopf.

Was im Kontext zeitgenössischer ästhetischer Wahrnehmung steht, wird in diesen Allgemeinplätzen einer Neuordnung gleich mit verarbeitet und „eingekreuzt“: „Der Charme der Alten Rose“ – am modernen Strauch? Da stolpert das Rosen-Management ungewollt über sich selbst und entdeckt doch tatsächlich echte Liebhaber Alter Rosen.

Hier wird „Liebschaft“ offenbar diffizil und benennt – wohl gleichfalls ungewollt – deren Spanne von „echt“ über „gewöhnlich“ bis „falsch“.

Für Rosenkenner (echte Liebhaber?) ohnedies ein wundersames Ding, was da als „Neuheit“ im Garten wachsen und ihm „zeitgemäß“ gefallen soll.

Wert, erforscht zu werden, ist es, wie uns die modernen Marketing-Strategien bedienen und uns auf nebulösen Wegen verkaufen wollen, was als Produkt in unseren Köpfen mitunter allererst erzeugt wurde, um es verkaufen zu können.

In der Summe ein Markt-Latein, das bald Thema behördlicher Verbraucherberatung sein müsste; ein Markt-Latein, das zumindest deutlich übersetzt gehört – und nicht mit sachlichen Beiträgen zur Rosenkultur verwechselt werden sollte; insbesondere nicht in zelebrierter „Fachliteratur“, in der solcherlei Vokabular vermeintlich selbsterklärend im Gebrauch ist im Glauben, „Rosengeschichte“ zu schreiben und zitierfähig zu sein.

Hier genügt ein kurzes Schnäuzen zwecks kundenseitiger Überprüfung der Ware leider nicht.

„Das Alte“ ist dem modernen Management der Rose eine willkommene Spiegelfläche für eine effiziente Vermarktung der eigenen Zucht, der hauseigenen Produkte; ein Management, das „das Alte“ weniger schätzt als es uns glauben machen will.

Hier will ich zwischen Zuchtbetrieben und Wiederverkäufer aller Art nicht weiter unterscheiden. Im Verkauf ist das Management hier wie da.

Altehrwürdig und von Wert, so spiegelt sich das Neue im Alten; ein eitles Spiegelbild, das „das Alte“ zugleich als einen Antipol für alles nimmt, was „der Moderne“ nur „alt“, hässlich und längst schon überholt erscheint. Der Charme des Alten und die Vorzüge der Moderne – so liest man allerorts.

Ein selektiver Blick auf eine Handvoll markttüchtig ermittelter Roseneigenschaften gerät zur Charakterisierung von Vielfalt.

Kulturgeschichtlich eine Katastrophe, was uns das Rosen-Management als das zu lehrende Bild der Rose vermittelt.

„Das Alte“: modernisiert, rundum saniert und „verbessert“ präsentiert – im Stil der ›Alten Rosen‹. Gänzlich überflüssig gar wird „das Alte“ in der Hybris verklausulierter „Vereinigungen“; „das Beste aller Rosen“, es soll uns leibhaftig werden in wundersamen Kreationen moderner Rosenzucht. Sobald wir diese Geschöpfe pflanzen, finden wir freilich alles das in unseren Gärten nicht wieder, was uns wortgewaltig kommuniziert ist und nur in unseren Köpfen Platz fand – gesät von ziemlich klugen Akteuren des Rosenmarktes.[*]

[*] Es dämmert bei nicht wenigen Rosenfreunden/-innen die Einsicht, dass Äpfel keine Birnen sind und Begriffe keine Rosen. Freilich ist diese Einsicht mitunter teuer und mit viel Schweiß im Garten bezahlt. Ein eierlegendes, milchgebendes Wollschwein wird uns auch die modernste Rosenzucht nicht schenken; selbst die Genetik nicht. Ein kulturhistorisch ohnehin unsinniges Unterfangen. Niemand dürfte ein derartig charakterloses Geschöpf ernsthaft im Garten „kultivieren“ wollen. Eine ‘Madame Hardy’ gibt es nicht Eins zu Eins in allen gewünschten Farben, Blütenfülle und Duftnoten, in allen Wuchs-Formen sowie mit beliebiger Fruchtbildung, Standorttoleranz und Frostfeste. „Ihren Charme“ – nach Belieben – schon gar nicht.

Spätestens, wenn Sie von einer „verbesserten Sorte XY“ lesen, aktivieren Sie Ihr gesundes Misstrauen wenigstens als Verbraucher – wenn nicht als Rosenliebhaber/-in.

Wie der zeitgenössische Blick der Rosengärtner/-innen eine „Alte Rose“ im direkten Bezug und Vergleich zu Rosen der modernen Zucht zu sehen und zu bewerten habe, definiert für uns heute das Rosen-Management. Wer es anders sieht, läuft Gefahr, zu jener Kategorie „echter Liebhaber“ gerechnet zu werden – und damit als ein ziemlich kauziger Geselle aufzutauchen, der das „Verbesserte“ kennt – und dennoch das Alte pflanzt.

Übersehen wird dabei allzu rasch: Was der Rosenmarkt uns zur Rosenkultur bestimmt, dient dem Verkauf von Rosen, nicht deren Kultur. Hier muss man schon aufpassen, dass auf dem Rosen-Markt die Kultur der Rose nicht zur Subkultur verkommt: Seit über 200 Jahren produziert dieser Markt hübsche, bunte Blumen, die wir alle kaufen sollen. Es ist ein überschaubarer Beitrag zur Rosenkultur, der sich eher quantitativ bemisst: Eine Vielzahl hübscher, bunter Blumen.

Anstatt Neues einfach nur „gut“ zu machen und in der Vielfalt zu präsentieren, schlägt die Hybris Bahn, das Ältere überholen und stets „besser“ machen zu wollen; wohl deswegen, weil wir dieses Ältere weiterhin schätzen, kaufen, pflanzen. Diese Wertschätzung „des Alten“ erscheint dauerhaft; nicht bloß zeitgemäß; es ist keine kurzlebige, verspielte Renaissance mit einer verklärten Freude „an alten Sachen“, die der übersättigte Zeitgenosse nur aus purer Langeweile vom Dachboden in den Antik-Laden stellt.

Das „Ältere“ ist nicht bloß „nostalgisch schön“ – es sind schlechte Sorten darunter wie hervorragende Gartenrosen, wie immer sie benannt und aus welcher Zeit sie auch immer seien.

Von diesem eigentümlich Dauerhaften der Rose lebt der Markt – und es macht ihm zu schaffen und erfinderisch zugleich.

Mit „Neuheiten“ verdient es sich am besten, da klebte schon immer der höchste Preis dran; der Markt aber – auch der Rose – ist furchtbar „modern“ geworden, er ist furchtbar schnelllebig geworden, furchtbar „rhetorisch“; das Hirn mit dem Grabspaten kommt schon längst nicht mehr mit, um Jahr für Jahr das Neuste zu sichten, lieben zu lernen – und in den Garten zu setzen. Die Kapriolen des Marktes führen gar dazu, dass das Ältere aus den selben Züchter-Werkstätten von diesen Werkstätten selbst mitunter als „alt“ vom Markt gefegt wird, um Platz zu schaffen für „das Beste“ und „Neuste“.

„Alt“ aber ist das Ältere der Rose immer nur dem Begriff nach: glücklich alle Rosengärtner/-innen, die mit Kinderaugen Rosen sehen.

Wer mit Kinderaugen in die Rosenwelt schaut und dabei nicht die Vernunft vergisst, ist wohl das, was man als „kritischen Verbraucher“ und nicht als naiven Menschen bezeichnen könnte. Heut indessen ist die Kunst des Marktes groß, in ihrer Kommunikation der Rose nur das Kind in uns anzusprechen und zum klingen zu bringen …

Der herausragende Vertreter der Sparte des „Alte-Rosen-Management“, wie ich es zusammenfassend bezeichnen möchte, das für uns freigeistig definierend unterwegs ist, ist unbestritten der Engländer David Austin, der in 1969 mit seinem Marktbegriff „English Roses® und dessen Vermarktung den Rosenmarkt veränderte, die Rose selbst neu zu bestimmen suchte und die Kultur mit Rosen nachhaltig beeinflusste.

Was als „Produkt-Charakterisierung“ und dessen „Vermittlung“ deutlich auf die Seite der Vermarktung gehört, wird durch das Alte-Rosen-Management allzu rasch zum vermeintlichen Sachargument der Rosenkultur selbst, das in freien, unreflektierten Zitaten von Seiten Dritter mehr oder minder bereitwillig seine Verbreitung findet.

Alle wollen gewinnen, mitreden – und gerne an das Schöne in Wort und Bild teilhaben.

So verkaufen und kaufen wir einmal vermeintlich selbst bestimmt ›Alte‹ und ›Moderne Rosen‹ …

Das moderne Management der Rose nimmt Einfluss auf unsere Sprache über Rosen. Auf unsere Wertschätzung von Rosen in der Auslegung deren Vielfalt und deren Geschichte. Auf unsere Beurteilung ihrer Eigenschaften und ihren Verwendungs­möglichkeiten in der Gestaltung von Garten, Park und Landschaft. Ja, das Management nimmt gar Einfluss auf unseren persönlichen Geschmack.

Wenn der Blick sich auf eine Rose selbst konzentriert und sich ungehindert in ihr entfalten kann, möglicherweise ein Blick, der von den Einordnungen und „Charakterisierungen“ der Rose nichts weiß, ein Blick, der eine einzelne Rose einfach für sich als Schönheit oder liebenswertes oder nützliches Geschöpf entdeckt, frei von einem fragwürdigen Wissen, das jeder Begegnung den Charme des Unbedarften, Unmittelbaren und Authentischen raubt, ein solcher Mensch entdeckt Rosen. Mit allen sorteneigenen „Vor- und Nachteilen“ für die eigene Gartenkultur … und im individuellen Bild dessen, was er oder sie als „charmant“ empfindet.

Kinder waren mir zur Zeit der Rosenschule in der Tat die liebsten Kunden.[*]

[*] Wenn Kinder, während ich in Verkaufsgesprächen mit den Eltern war, Rosen für sich entdeckten, war es stets ein Genuss, die Entdeckungen der kleinen Dame oder des kleinen Herrn zu beobachten. Von den Eltern mit an den Stand geführt, machten sie sich auf, Rose für Rose selbst zu erkunden (wohl ihrem natürlichen Drang folgend oder schlicht gelangweilt von unseren „Erwachsenengesprächen“).
Es ist eine gute Erziehung, die Kindern dies nicht verbietet; selbst wenn die eine oder andere Blüte leidet und die zweite und dritte eine pädagogische Rettung von Seiten des Verkäufers zu wünschen scheint, als dass ja nicht unbedingt jede Blüte gedrückt gehört. Dennoch: Kinder entdecken ihre Welt! Und das machen sie meist ziemlich direkt und vorurteilsfrei.
Um so ärgerlicher ist es, wenn eine begeisterte Entdeckung der Kleinen von Seiten der Eltern im eigenen Interesse kommentiert wird: Nein, die wolle man nicht, die blühe nur einmal … habe nicht die rechte Farbe … und derlei.
Ärgerlich, wenn man dann beobachten muss, dass so mancher Knirps einen Schritt zurück geht, sich im kritischen Blick übt und die Meinungen der Eltern zu übernehmen droht.
Bei einer jungen Dame war es mir zu überdeutlich, da sie vor der auserwählten Rose stehen blieb, die Blüte, die sie in der kleinen Hand noch fasste, mit kritisch-fragenden Blick anschaute – und anfing, die Blütenblätter abzuzupfen! Da musste ich diesen erzieherisch unglücklichen Vorbildern doch in deren Aufgabe pfuschen und energisch Einhalt einfordern: Mit dem deutlichen Hinweis, dass diese Rose auch weiterhin wunderschön sei, auch wenn sie einmal im Sommer blühe (oder diese und jene, eher offenbar nicht gewünschte Blütenfarbe habe).
Kinder sind manchmal göttlich! Die kleine Dame beendete ihr Zerrupfen der Rosenblüte, hielt sie aber immer noch in der kleinen Hand und lächelte erst mich breit an, ganz klar im Ausdruck – und dann die Eltern! Als wolle sie letzteren mit neuem Selbstbewusstsein sagen: Seht ihr!
So manche Eltern sind da weniger klar!
Und Erziehung, nun, jemanden erziehen zu wollen, dies ist wohl immer eine wechselseitige Angelegenheit. Wenigstens lächelten die Eltern nun auch und betrachteten die Entdeckung der Kleinen nun genauer. Gekauft wurde diese Rose am Ende nicht. Halt eine andere, eine „Eltern-Rose“. Aber der kleinen Dame schnitt ich eine „Ausstellerblüte“ von ihrem Strauch – und so bekam ein jeder, was er verdient …

„Alt“ und „Modern“ sind heute Marktbegriffe, weniger Ordnungsbegriffe.

Sie dienen weniger einer verbesserten Übersicht über die Vielfalt der Rose, denn einem strategisch geschickt agierendem Management für die Vermarktung von Produkten; einem Management, das den Eindruck hinterlässt, es glaube mittlerweile selbst, was es uns zum Besten gibt. Was als „Fachliteratur“ namhafter „Rosenkenner“ kursiert, ist mitunter hanebüchenes Gequassel. Ein Dauer-Schwelgen über „das Alte“ und eine unsägliche Hymne „der Moderne“ an sich selbst, von dem niemand so recht weiß, was kulturgeschichtlich übrig bleibt.

Für die Kultur der Rose gehört die Verwendung der Wörter „Alt – Modern“ – und letztendlich auch das Wörtchen „Wild“ – nach meinem derzeitigen Verständnis deren Gebrauchs aus dem Vokabular der Rosengärtner/-innen gestrichen; mindestens aber deren Gebrauch neu überdacht, zurecht gerückt und gehaltvoll beschrieben.

Tauchen diese Wörter auf, werde das Lesen kritisch.

Das Alte ist erfahren, ist belehrt und weise. Es ist der Nährboden jeder Moderne, das Alte ist Ratgeber und Wegweiser. Das Alte ist das Neue von Gestern, das im Heute seinen Platz hat. In seinem eigenen Wert, in seiner eigenen Kontinuität, in eigener Aktualität. Es ist das vermeintlich Bekannte, das am wenigsten Vertraute, das Unbekannte in der Ferne, das wir aber nah bei uns brauchen – und wenn wir es zu Wort kommen lassen: um die Moderne und uns zu verstehen …
Und all dies Schöngeistige über „das Alte“ zu einem „Modernen“ dieses kleinen Absatzes hat mit den beiden Ordnungsbegriffen der ARS nichts zu schaffen!

„Alte Rosen“? Die existieren nur in unseren Köpfen. Wie die „Modernen“ und „Wilden“ auch.

Diese Zeilen sind gewidmet meinem alten Hochschullehrer in Wissenschaftsgeschichte und Philosophie, Wolfgang Deppert. Er weiß von meiner Rosenleidenschaft nichts, er wird mich kaum erinnern und diese Zeilen kaum lesen. Jedoch wäre meine Leidenschaft zur Rose blind und haltlos ohne ihn.

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