Lieblingsrosen
sind da, wo die Liebe hinfällt
Wer ist die Schönste im ganzen Land?
Die eitle Königin befragt im Märchen Schneewittchen den Zauberspiegel … – Gebrüder Grimm, Kinder und Hausmärchen, 1812.
Und die Rose? Durch Volksmund und Dichtung zwar geadelt kennt diese Königin Eitelkeiten nicht; frei nach Silesius: die Rose blüht, sie hinterfragt sich aber nicht! Rosen benötigen keinen Zauberspiegel; sie blühen, jedoch nicht, um sich selbst, uns oder der Welt zu gefallen …
Die Schönheit der Rose liegt im Auge des Betrachters. Es ist doch allein unser Blick auf die Dinge … Und in das eine oder andere, was uns begegnet, spiegeln wir halt Schönheit und unser Liebstes hinein. Dass dieser Blick sehr verschieden sein kann, darüber resümiert wieder der Volksmund in seiner eigenen, weitherzigen Gelassenheit: Wo die Liebe halt hinfällt …!
Erfahrungen aus der Praxis
Ich beobachte immer wieder, wie Kunden vor Rosen stehen bleiben und deren Blüten fast ungläubig in die Hand nehmen, deren Petalen streicheln, als ob zu überprüfen sei, dass sie ja echt sind – dann die Nase in dieselben! – um schließlich interessiert das Originaletikett der jeweiligen Sorte zu studieren
(das leider meist wenig informativ ist!). Ein Schritt zurück, ein Schritt vor, ein suchender Blick in meine Richtung: Es folgen eine Vielzahl von Fragen an den Rosenmann. Von wem diese Rose sei, wer sie also gezüchtet habe, ob sie neu sei und öfter blühe, wie groß sie denn werde und ob sie das norddeutsche Wetter
auch abkönne – und stets begleiten diese Fragen schon die ersten, ungeduldigen Kommentare: einfach tolle Blüte – irrer Duft – saftiges Laub!
(Originalzitate!). Und die ersten Anfragen Richtung Partner: Was meinst Du?! – Ist doch toll – oder nicht!? (…)
Ich glaube, eine solche Begegnung mit einer Rose hat das Potential, eine Lieblingsrose zu gebären! Und ich wundere mich immer wieder darüber, dass es sich stets bewahrheitet: Geschmäcker sind wirklich verschieden! Gott Lob! Denn die eine oder andere Entdeckung meiner Kunden würde ich mir nie (und nimmer!)
in den eigenen Garten pflanzen! So kommt diese Rose in einen anderen und bleibt erhalten. Und da ich offenbar die Begeisterung mancher Kunden nicht teilen mag, wird immer wieder einmal die Frage an mich gestellt, welche Rose(n) denn meine Lieblingsrose(n) sei(en).
Diese Frage macht mich immer etwas hilflos: es sind zu viele! Und manchmal ärgere ich mich über mich selbst, dass ich mich aufgefordert sehe, mit strahlenden Augen zwei Dutzend Sorten herunterrasseln zu dürfen, mit kurzen Kommentaren, warum ich diese und jene Sorte so mag. Die meisten Kunden hören sich zwar meine Auflistung
geduldig und nachsichtig an, doch bemerke ich spätestens nach dem ersten halben Dutzend: Horst, Du listest dem armen Kunden nur Namen auf, aber keine Rosen! Und eine gewisse Fluktuation kommt bei meiner begeisterten Aufzählung noch dazu: So manche lieb gewonnene (neue wie alte) Sorte relativiert sich mit der Zeit, was sich in der
Art und Weise meiner Aufzählung spiegelt. Anders gesagt: So manche Lieblingsrose wird zur guten Rose über die Erfahrung der Jahre abgestuft!
Jedoch ist über die Jahre auch eine gewisse Konstanz festzuhalten: Manche Sorten wecken jedes Jahr aufs neue meine Begeisterung. Diese Sorten sind wohl tatsächlich meine Lieblingsrosen! Diese – es sind vergleichsweise wenige – seien aber hier nicht aufgelistet, wohlmöglich noch mit dem zum Scheitern verurteilten Versuch einer Begründung, warum sie mich immer wieder in ihren Bann ziehen.
Es finde jeder seinen eigenen Weg …
Eine kurze Anmerkung zum Alter …
Gelegentlich erzählen mir Kunden, dass ihre Liebe zur Rose mit dem Alter gekommen sei. Da ich auch viele junge, ja jugendliche Kunden habe und immer wieder beobachte, wie unvoreingenommen gar Kinder mit strahlenden Augen Rosen entdecken, ist die Liebe zur Rose gewiss keine Frage des Alters.
Obgleich der Mensch gewiss seine Vorlieben und Geschmäcker im Lauf der Zeit ändert – etwa von süßen Getränken der Jugend zu herben Getränken, wie dem (trockenen) Wein – bleibt offenbar doch eine gewisse Grundnote von Kindesbeinen an erhalten, die mit allen Veränderungen schwingt. Das Alter entdeckt mitunter nur die Rose aus Kindertagen …
Und um diese persönliche Grundnote gesellen sich auch die neuen Sorten, welche zur passenden Zeit bei mir ihren Platz als „Lieblingsrose“ finden sollen: Rosen sind halt – wie wir selbst – lebendig! Und wir wandern nur ein Stück mit der einen und der anderen Rose — vielleicht, weil wir das Schöne in uns – immer wieder neu – in ihr gespiegelt sehen …