Rosen, die auf eigenen Wurzeln stehen, im Vergleich zu Rosen, die veredelt (okuliert) sind, zeigen nur einen „Nachteil“: wurzelechte Rosen machen Ausläufer.
Ausläufer im Garten können nerven – Rose links vom Weg gepflanzt, rechts vom Weg erscheint unvermittelt und nicht gepflanzt diese Rose: Ein Ausläufer hat sich seinen Tunnel unter dem Weg hindurch zur anderen Seite gebahnt.
Gut, soweit: Ausläufer bei Rosen sind kein Grund für „Reklamationen“.
Die Vorteile einer wurzelechten Rose sind – neben diesen wunderbaren Ausläufern! – vielseitig: wurzelechte Rosen leben länger als veredelte Rosen. Und alles, was da unten aus dem Boden kommt, entspricht der gewünschten Rose – und zwar hinsichtlich aller Eigenschaften dieser Rose.
Bei veredelten Rosen indessen nimmt die „Wildrosen-Unterlage” durchaus Einfluss auf die Eigenschaften der gewünschten Rose, auf den Wuchs, auf das Blütenverhalten – und der Mensch hat mit sogenannten Wildtrieben zu rechnen und seine Arbeit damit: Denn die Austriebe einer Unterlage (also der Wildrose, auf der veredelt wurde), gehören entfernt.
Es sei denn, die „Unterlage“ gefällt und wächst besser als die „Edel-Rose“ …
Rosen-Unterlagen sind für manche Überraschungen gut – ein Beispiel vom Vermehrungsacker: Eine Unterlage, die das Edle nicht wollte … und nun vom Habitus und Frucht eine unser besten Rosen im Park ist.
Wurzelechte Rosen sind robuster, unbestritten. Nimmt die Stelle der Veredelung Schaden, ist die Rose verloren – also die auf die Wildrose aufgesetzte Rose ist verloren.
Fahren Sie mit einem ausgewachsenen Trecker einige Touren über eine wurzelechte Rose, wächst diese aus ihrem Wurzelstock einfach wieder neu empor.
So ist das.
Ziehen Sie mit Haus- und Gartenbewohnern um oder muss eine Rose eines Bauvorhabens wegen vom Platz weichen, dann macht es einem die wurzelechte Rose leicht, die veredelte Rose indessen mitunter schwer.
Jedes Jahr bekomme ich diesbezüglich Anfragen, wie die Rose „zu retten“, was zu tun sei. Es sind stets veredelte Rosen, um die der Mensch sich dann sorgt, mitunter „alte Knochen“, die einige Jahre und mehr im Garten stehen.
Menschen mit wurzelechten Rosen schreiben mir erst gar nicht: Die Rose selbst zeigt, was bei Umzug oder Bauvorhaben zu tun ist …
Wurzelechte Rosen können Sie auch prima im eigenen Garten vermehren, Rosen okulieren indessen geht nicht so leicht von der Hand.
Der genetische Stamm unser Kulturrosen wäre „stabiler“, um nicht zu schreiben „gesünder“, gäbe es die Vermehrungsform des Veredelns nicht.
Diese Kritik, als das schwache Rosen, die keine eigenen oder nur unzureichend Wurzeln bilden können, nunmehr via kräftiger Unterlage doch auf den Markt gespült werden, ist ein bis heute gültiges Argument aus dem 19. Jahrhundert, aufgekommen mit der in 1849 in die Welt gekommenen Idee von Guillot (fils) eines „Veredelns von Rosen“, die ebenfalls dem Markt gezollt ist: Die Stecklings-Vermehrung konnte die steigende Nachfrage kaum bedienen.
Möglicherweise wäre auch die Anzahl der Sorten weltweit geringer, eine Anzahl um die 70.000 tausend Sorten, so die Schätzungen um 2020 herum.
In meinen Anfängen als Baumschule kursierte die Zahl von 30.000 tausend Sorten, Rosen, die gewiss damals wie heute nicht beliebig verfügbar waren, es nicht sind.
Eine gesunde Selektion von „Neuheiten“ auf der Grundlage deren Fähigkeit, auf eigenen Wurzeln zu wachsen, hätte die Anzahl der Sorten aus der Kulturgeschichte bis heute wohl merklich verringert.
Spekulieren wir einmal: In 2023 würden wir über 10.000 verschiedene Rosensorten verfügen? Was meinen Sie? Genügend Auswahl für Ihren Garten? Eigentlich überfordert ja schon jede Auswahl über 1000 Sorten … wie ich es aus der Praxis weiß.
Der Markt wäre gewiss auch kleiner, gäbe es nur wurzelechte Rosen, in der Produktion kleiner, in der Vermarktung kleiner, keine großen, international agierenden und den Markt bestimmende Konzerne, die Jahr für Jahr mit deren gigantischen Werbe-Budget „Neuheiten“ über „Neuheiten“ in allen denkbaren Medien anpreisen – und viel zu sehr das Bild der Rose in den Köpfen prägen. „Neuheiten“ aus solchen Häusern, die oft genug schlicht eine Verdoppelung einer Verdreifachung der Rosen des „Kollegen“ sind … pure Wiederholung in neuem, individualisiertem Marketing-Gewand.
Möglicherweise hätten wir einen gesünderen Markt, kleinräumiger orientiert, in der Produktion angepasst und somit konzentrierter, mit stimmigen, genetisch weniger degenerierten, mit langlebigen, robusteren Sorten auf „eigenen Beinen“?
Da wüsste ich jetzt mal keinen Einwand zu nennen …
Mittlerweile erscheint die Rose heute in deren vermeintlichen „Vielfalt“ dann doch eher als Einheitsbrei hinsichtlich Habitus, uniformes Laub und unsinnig standardisierte Pflege- und Kulturmaßnahmen, etwa rund um Standort, Schnitt und Düngung.
Mit dem Charakter von Gehölzen haben die wenigsten „Neuheiten“ noch etwas gemein, behaupte ich einmal nach einigen Jahrzehnten Rosenerfahrung …
Dass „Wildrosen“ als „Unterlagen“ genutzt wurden, öffnete ein weiteres Tor für die Herabstufung dessen, was ich lieber als Naturrose benannt, bestaunt, geschätzt, ja geliebt sähe.
Dabei ist es bei der Rose wie im Straßen- und Wegebau: taugt der Unterbau nichts, hilft die schönste italienische Deckschicht nicht. Und gewendet: taugt die Deckschicht wenig, trage wenigstens der Unterbau …
Naturrosen als „Unterlagen“ zu gebrauchen – gewiss, möglich ist es. Gering schätzen aber sollten wir sie darüber nicht. Weder im Herz noch im gesprochenem Wort …
Dem Markt gezollt …
Die Okulation ist ein Kind des Marktes. Für die Gartenkultur taugt sie wenig bis nichts.
Gewinnt man aus einem Trieb vielleicht zwei Stecklinge, schafft die Okulation es, demselben Trieb zehn Augen und mehr für das Veredeln zu entnehmen. Die Quantität stieg in der Rosenvermehrung durch das Aufkommen des Veredelns.
Auch ist das Produkt rascher verkaufsfertig, sprich die gewünschte Rose rascher im Regal: Schafft der Steckling es im ersten Jahr, eigene Wurzeln zu bilden, um im zweiten Jahr zu einem kleinen Strauch heranzuwachsen, ist die veredelte Rose im selben Jahr schon auf dem Verkaufstisch. Kräftig herangewachsen auf den beim Veredeln schon vorhandenen Wurzeln einer Wildrose.
… nicht den Gärten
Auch das Gärtnern mit Rosen wird nicht leichter durch das Veredeln. Die bemühten Beschreibungen, wie eine veredelte Rose zu pflanzen sei, die Tipps, wie Wildtriebe zu entfernen und Winterschutzmaßnahmen zu betreiben seien, sind Geburten des Veredelns von Rosen.
Zähe Fragwürdigkeiten …
Es ist wie mit dem Tinnef “Alte | Moderne Rosen” – das „Veredeln“ ist wohl auch kaum mehr aus der Welt zu schaffen. Obwohl es eigentlich gut und für die Kultur förderlich wäre, würden wir uns mehr bemühen, mit wurzelechten Rosen zu gärtnern … und es strikt ablehnen wollten, eine Imagination namens „Alte und Moderne Rosen“ zu pflanzen …
… und zweckdienliche Selektion
Die Nord-Skandinavier kultivieren nur wurzelechte Rosen, sie machen das des kalten Klimas wegen, also notgedrungen, wenn man so will: „veredelte“ Ware überlebt dort nicht. So werden auch die Sorten solide selektiert: Was nicht auf eigenen Wurzeln wächst, kommt nicht einmal ins Sortiment (und braucht entsprechend auch nicht aus selbigen Sortiment heraus geschmissen zu werden). Eine gesunde Sache, diese Selektion durch Klima und Wetter.
Und noch eines: Bekommen Sie zu lesen, Ihre Rose bedarf Winterschutz, merken Sie sich, nein, nicht diese Rose, sondern allein das aufgesetzte Röschen der Zucht will Schutz vor kaltem Wind und Frost – die „Unterlage“ bleibt in der Regel dem Wetter gegenüber gelassen …
Um im Bild des Straßenbaus zu bleiben: Der Unterbau Ihrer Rose ist prima, nur die schöne Deckschicht taugt vielleicht nicht allzu viel … wenigstens nicht für die hiesige Lage.
Pflanzen Sie wurzelecht, wo immer möglich; pflanzen Sie ein kleines Röschen aus frischer Stecklings-Vermehrung, anstatt eine „durchwurzelte Container-Rose“ auf irgendeiner Unterlage.
[*] In Ihrem Garten bekommen Sie die idealen Bedingungen einer Baumschule nicht imitiert; Produktion und Vermarktung verlaufen heute zunehmend unter Folie oder Glas, also unter „schützenden“ Gewächshäusern – mit der Idee, makellose, vom Wetter wenig beeinflusste Ware anzubieten, was als verkaufsfördernd gilt und es wohl leider auch ist. Allein, Ihr Garten hat kein Foliendach, er kennt Wetter, mitunter viel Regen, „Widrigkeiten“ anderer Art, etwa kranke Rosen des Nachbarn oder eigene gut meinende aber falsche Düngung.
[Ende Fussnote]
Denkbarer Nutzen der Veredelung von Rosen …
… nur leider so nicht gedacht und eingesetzt.
In Produktion und Vertrieb aber ist wurzelecht heute – sagen wir in Mitteleuropa – kaum mehr marktfähig; bestenfalls eine Nische, etwa für kleine Betriebe oder in der spezialisierten Produktion für den Landschafts- und Gartenbau mit einem doch arg begrenztem Rosensortiment.
In der reinen Produktion damals veredelte ich, geprägt durch die Produktionsbetriebe drum herum, die alle veredelten. Für wurzelechte Rosen gab es auch kaum einen Markt, der Wiederverkauf interessiert sich nicht für solche Fragen und in der Direktvermarktung diktiert primär neben dem Preis der erste Eindruck vom Röschen: Wenn ein kleiner erscheinendes wurzelechtes Pflänzchen auch noch mehr kostet als eine kräftiger wirkende okulierte Jungpflanze, lässt es sich im Wiederverkauf wie beim Privatmenschen schwer vermitteln, das wurzelechte Röschen zu erwerben und zu pflanzen … eigentlich gar nicht, zumal dann nicht, wenn man als Unbekannter auf irgendeinem Event herumsteht.
Dies ist jetzt im Rosenpark anders … Nur: „große Produktion“ und Rosenpark?
Beides geht mit zwei Händen nun nicht. Für Rosenbauer hätte der liebe Gott eigentlich vier Arme und Hände einplanen müssen …
Im Privatgarten immer schon weitgehend wurzelecht unterwegs, mache ich es heute im Rosenpark ebenso: überwiegend wurzelechte Rosen. Um das Veredeln komme ich dennoch nicht, allein der Aufträge wegen.
Veredelung zweckmäßig eingesetzt
Spärliches und qualitativ schlechtes Vermehrungsmaterial, das für Vermehrung via Steckling nicht geeignet ist, lässt sich mitunter noch veredeln; bei manchen Sorten ist auch der Ausschuss einfach zu hoch, versucht der Mensch es mit diesen Rosen wurzelecht – hier hilft ebenfalls das Veredeln.
Wo es erforderlich erscheint, veredel ich.
Die besten Rosen im Zukauf bekam ich damals aus Finnland, von Matti Kulju, der seine Baumschule vor einigen Jahren stilllegte und in den verdienten Ruhestand wechselte. Seine Rosen waren stets wurzelecht, stets kleine, zierliche, via Steckling oder Ausläufer vermehrte Pflanzen, die rasch zulegten und bis heute zu den besten Rosen im Bestand gehören.