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‘Martin Liebau’

Remontant-Rose, Kiese 1930, Ger.
100 cm, fruchtig, gut duftend.

“Martin Liebau”

Rose wird jedes Jahr früh krank, Rost, Echter Mehltau; Wuchs stets schwach; 2017 drittes Jahr in Kultur / in der Vermehrung; Austriebe 2017 erneut früh krank; nach Rückschnitt kaum Neuaustrieb; eine »Notblüte« [siehe Foto, Ende Juni 2017].

Weitere Fotos über die Entwicklung dieser Rose.

Wüsste nicht, was an Unterlage, Standortbedingungen zu ändern wäre, damit diese Sorte gedeiht. Eine Stecklings-Vermehrung will ich nicht machen, sie lässt kaum hoffen, es werde besser.

Falls Sie andere Erfahrungen mit dieser Rose haben, bin ich für Mitteilungen dankbar. Die Angaben im ERS und bei HMF sind spärlich. [Stand 2017]

Vor die Bagger schmeißen?

[Quintessenz: Das Geschäft mit Rosen und die Kultur von Rosen sind zweierlei; zum Geschäft gehören Zucht, Produktion, Vertrieb … einschließlich der Vermarktung sogenannter Container-Rosen, in denen grundsätzlich alles wächst. Das Geschäft mit Rosen aber ist keine Gartenkultur. Weil es mich zunehmend nervt, dass ausgerechnet Rosen per se für wert erklärt werden, mit allen Mitteln auch erhalten zu werden, schreibe ich mir hier erneut von der Seele, dass es der Rosenkultur als auch der eigenen Liebhaberei gut täte, unterscheiden zu lernen, was Markt und was Kultur sei.
Gewiss gehört unser Wirtschaften auch zu unserer Kultur. Einen derart allgemein gefassten Begriff von Kultur aber, der nicht mehr unterscheiden will, kann man nicht denken.

Wer mag, lese also den folgenden Beitrag mit der Frage nach dem Erhalt von Sorten …]

Inhalt

Vor die Bagger schmeißen?

Das Problem solcher und anderer Sorten ist, dass sie in der Produktion gewiss verkaufsfertig gezogen und im Vertrieb angeboten werden können; wir haben sie damals in der Rosenschule des ERS als kleine Containerrose ebenso gekauft. Und ich kenne das aus der eigenen Produktion. Im Geschäft wächst alles – irgendwie.
Zu fragen bleibt: wo aber wächst sie gut im Garten? Gibt es eine Scholle in der Welt, wo dieses Kind der Zucht gut wächst? Lohnt deren und die Kultur so manch anderer Sorten überhaupt? Aus welchen Gründen heraus sollten wir solche Rosen pflanzen und pflegen?

Raphaela Langenberg kommentierte in einem Interview zur Frage nach dem Erhalt von Sorten, sie würde sich auch für eine kleine, bunte Floribunda vor den Bagger schmeißen.[1]

[1] Retter der Rosen, DIE ZEIT Archiv, 23.07.2009, Eiken Bruhn. Einer der wenigen Artikel über Rosen, die den Einfluss des Marktes und deren Vertreter auf die Kultur dieser Pflanze verdeutlichen können.

Hier muss offenbar eine nur als »Röslein« zu denkende Floribunda Pate für den Appell stehen: Eine Rose? Eine Rose sei immer wert, mit allen Mitteln »gerettet und bewahrt« zu werden. Ist eine Rose in der Welt, heißt es pflanzen … retten. Allein deswegen, so erscheint es mir, weil diese und andere Spielarten der Liebhaberei aber auch in jeder Rose partout »Werthaftes« sehen wollen: Rosen sind Kunst, Kultur, Artefakt … notfalls genetische Ressource einer zu erfragenden Biodiversität[2]

[2] Beispiele Wildrosen (Naturrosen):

  • Biodiversität (biologische Vielfalt) im Kontext Naturschutz, siehe ausführlich Umweltbundesamt Deutschland.
  • Gebündelter bei Greenpeace [Vielfalt Ökosysteme, Artenvielfalt in Lebensräumen, genetische Vielfalt innerhalb der Arten].
  • Konkretes Beispiel: Ein (ökonomisch und ökologisch geleiteter) Blick auf die Neugestaltung des sogenannten öffentlichen Grüns einer Stadt: Gräser statt Rosen [Göttinger / Eichsfelder Tageblatt, Artikel v. 16.10.2011]; in einer Wertigkeitsskala von 1 bis 5 für Biotope hinsichtlich deren Bedeutung für die biologische Vielfalt rangiere das Rosenbeet auf Stufe 1, Grünland (aus heimischen Gräsern, Kräutern) indessen liege deutlich höher bewertet bei 3 bis 5 [die Herkunft dieser Wertigkeitsskala wird leider nicht genannt].
  • Biodiversität und Ethik, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH, Artikel v. 30.10.2015: ökologisch und ökonomisch benannte Gründen für den Erhalt der biologischen Vielfalt unter dem Schirm einer zu denkenden Ethik gebracht [vgl. Bundesamt für Naturschutz, komplexer Ansatz der Formulierung von Zielen rund um die Biodiversität: (…) ökologische, ökonomische und soziale Aspekte beim Umgang mit biologischer Vielfalt in Einklang zu bringen.]

Beispiel Kulturpflanzen (Rose):

  • Zum Kontext sogenannter pflanzengenetischer Ressourcen landwirtschaftlicher und gartenbaulicher Kulturpflanzen, siehe Deutsche Genbank Rose, Europa-Rosarium Sangerhausen.

In den Diskussionen rund um den Begriff Biodiversität (der Rose) sollte stets klar und deutlich zwischen diesen beiden Ebenen unterschieden werden: Wildrosen (Naturrosen) und Kulturrosen. Die hier nur exemplarisch stehende Sorte ‘Martin Liebau’ steht im Kontext gartenbaulicher Kulturpflanzen; es ist fachlich nicht korrekt, solche Sorten indifferent in Bezug zur Ebene einer Art zu stellen; die ökologischen, ökonomischen und ethischen Argumentationen für den Erhalt einer Art (der Natur) und einer Sorte (aus Menschenhand) sind different.

In Anbetracht der (wirtschaftlich gesehen legitimen) Strategien des Marktes, die eigene Zucht zu Ungunsten vergangener Züchtungen in den Blick der Gärtner/-innen zu rücken und zu favorisieren, erscheint die Sorge um den Erhalt der Vielfalt dieser Kulturpflanze berechtigt, dass die Rose ein Spielball des aktuellen Marktes ist – und als Kulturgut aus dem Blick zu vieler Zeitgenossen gerät.

Ob aber jede gelb-rot gestreifte Floribunda des Marktes diesen Einsatz lohnt, sich selbstlos vor einen (hoffentlich bildhaft bleibenden) Bagger zu schmeißen? Müssen wir jedes Produkt, das der Markt uns zum Kauf anbietet, als Kulturgut ansehen und als genetische Ressource verstehen lernen und »retten«?

Wir schleppen alles mit durch, was hier steht, auch wenn sich die kein Mensch in den Garten stellen würde, Thomas Hawel, Leiter des ERS [s. Fussnote 1), ebd.].
Dies sieht möglicherweise Frau Langenberg und ein Gros vergleichbarer Liebhaber/-innen anders: Es wird vermarktet, gekauft, gepflanzt, was Herr Hawel (später) »durchschleppt«; insofern die Platzverhältnisse und die selbst gesetzten Schwerpunkte es noch erlauben.[3]

[3] Im international agierenden »Online-Geschäft« wird alles angeboten, was sich noch halbwegs kostendeckend vermehren, bewerben und vertreiben lässt. Die leider nicht mehr präsente Webseite »historische-rosen-schaetze.de« war und ist nur ein Beispiel von vielen, die »sehr seltene Rosen« anbieten – nicht selten unter dem verführerischen Schlagwort »Raritäten«, das mitunter nur eine höfliche Umschreibung dessen ist, von dem Herr Hawel schreibt, dass es Rosen seien, die sich »kein Mensch in den Garten stellen würde«. Zu irgendeiner Zeit aber, so ist zu vermuten, standen diese Sorten in irgendeinem Garten … und werden heute nur noch »durchgeschleppt«?

Na ja, gewiss, auch eine derart gesehene und vorgestellte »schlichte Floribunda« ist eine Rose. Sogar mit dem Potenzial, innerhalb der Rosengemeinde eine »Lieblingsrose« zu sein … und irgendwann einmal gar eine »Rarität« und eine »alte Rose« zu werden … wenn auch niemals eine »Alte Rose«.

Anderseits hat auch dieses vermeintlich überlieferte »Alte« der Rose keinen sicheren Boden, neuerdings charakterisiert in seinen »Roseneigenschaften« als unmodern, bedarf es hin und wieder eines Appells an einen echten Liebhaber [sic], um noch gesehen, gepflanzt und irgendwie für wert erachtet zu werden.

Der Markt hat es mit diesem, seinem Spagat nicht leicht, einerseits die »Originale« loben zu müssen: Wer will schon »Liebhabern« vor den Kopf stoßen! Anderseits seine eigenen »Plagiate«, insofern sie sich auf dieses ominöses »Alte« beziehen, erfolgreich zu bewerben, um sie verkaufen zu können. Schon kurios, wie dieses Management bald unmerklich weil höflich und lobend eine Wertigkeit in die Betrachtung der Rose hineinträgt, indem er für das Pflanzen des »Alten« (Zeugs) eine »echte« Liebschaft für erforderlich hält, während für das Pflanzen des selbstredend »verbesserten« Plagiats offenbar eine bloße Liebelei reicht.

Andere Zeitgenossen des Marktes sind schlichter und klarer in ihrer Zielformulierung unterwegs, bedienen sich ebenfalls des indifferenten Sammelbegriffs »Alt (Historisch)« und geben der »Liebhaberei« auf den Weg: Wer sich für historische Rosen entscheidet, entscheidet sich für Krankheiten und für eine einmalige Blüte, Jürgen Grunewaldt, Verband Ciopora [Quelle des Zitats: s. unter Fussnote 1, DIE ZEIT]. Es ist zu befürchten, dass ein derart pauschales Schwadronieren über Rosen – möglich geworden durch dumpfe Köpfe der ARS! – die eigene Zielsetzung nicht verfehlt: Der Mainstream, mit viel Geld in den Taschen, pflanzt neuerdings und lieber »Modern«.[4]

[4] Ciopora, international arbeitender Verband einiger Züchter der Branche Zier- und Obstpflanzen, einschließlich Sortenagenturen, Forschungseinrichtungen, Fachanwälten. Die Internetpräsenz des Verbands ist eine Zumutung; indirekte Verweise für Informationen über diesen Verband sind in englischer Sprache zu haben. Drei externe Verweise aus 2017 seien angefügt: CIOPORA veröffentlicht Position zu Patenten für pflanzenbezogene Erfindungen [Gabot.de], Industrieverband Garten (IVG) [geplante Kooperation des IVG mit CIOPORA Deutschland e.V.], CIOPORA [Wikipedia].

Von solchen Handelsreisenden an meiner Gartenpforte kaufe ich grundsätzlich mal nichts …

Obgleich diese ständig bemühte »Alte Rose« also hier Nippes meint, dort »Antiquität« assoziieren lassen soll, derlei man ja durchaus – ordentlich befreit vom Staub der Jahre – vom Dachboden in die schmucke Vitrine der guten Stube stellen mag, scheint es doch für alle Akteure unstrittig, dass diese frei aus dem Zauberhut einer beliebigen Rosengesellschaft gezogene »Rosengruppe« alle diejenigen Klassen und Sorten unter einem Sammelbegriff »vereint«, die für den standesbewussten Experten der Rose (dem »echten Liebhaber«), ob dieser nun Austin, Langenberg oder Müller-Lieschen heißt, nun ganz bequem per se »zu retten und zu bewahren« (wenngleich nicht unbedingt zu pflanzen) seien: »Lost Beauty«, allesamt, weil neuerdings definiert und klassifiziert »Alt«: Kunst, Kultur, Artefakt … kultur-historische, »genetische« Ressource …

Wie kompakt und leicht zu denken!

Man könnte auch herumnörgeln: Furchtbar einfach, diese »Alte Rose«, sowohl für die »Fachwelt« wie für das »einfache Volk«, exakt datiert und zum Singular gemacht, spricht und schreibt es sich über diese Alte Rose wundersam bequem, von 1867 rückblickend bis in die Antike: alles »Alte Rose«!

Bei einer derart großen Kiste, in der wir die »Kulturschätze« der Jahrhunderte via Begriff hineinkatapultiert haben, braucht die eine oder andere kleine, bunte Floribunda neueren Datums schon den einen oder anderen Fürsprecher, um als »modernes Kulturgut« ins Bewusstsein dieser Gemeinde zu gelangen – und am Ende auch »gerettet« zu werden …[*]

[*] Aus der Sicht des Marktes kann Herr Hawel in seinem »Museum« retten, was er will. Nur der Mainstream bitte nicht; dies würde der Markt auf Dauer nicht gerne sehen. Ist der Garten des Kunden mit den Rosen von Gestern voll – was ein leichtes wäre, gleich, wie groß er auch sei – fehlt der Raum für die Neuheit von Morgen. Je kurzlebiger, desto besser! Das Vererben eines Rosenstocks ist denkbar unmodern! Heute kalkuliert man lieber mit einer Verfalls- und Standzeit des Rosenstocks von einigen Jahren. Für jeden »Retter der Rose« eine Herausforderung! Wer hier noch Platz für Gemüsebeet, Rasen und Streu-Obstwiese sieht, ist möglicherweise nicht ernsthaft genug bei der Sache …

Eine Busfahrt zum Rosengarten der freien Enzyklopädie »Wikipedia«

Wikipedia und die »Alte Rose« …

Die gefüllte, breite und flache, schalenförmige und im Duft überzeugende, stattlich zu einem Strauch heranwachsende »Alte Rose«? So lehrt mir Wikipedia das Bild der »alten Sorten«. Und fügt im Ergebnis hinzu: Es seien nunmal »historische Sorten«, einmalblühend und irgendwie unfertig in deren Blütenfarbe, pastellfarben bis purpurn-rot: aber kein Orange? Und als »stattlicher Strauch«, wie diese »Historischen« zu wachsen scheinen, für den modernen Hausgarten möglicherweise zu groß … und überhaupt, irgendwie »alt« halt, diese einmalblühende, duftende, gefüllte »Alte Rose« …

Derlei schwätzt diese Fundgrube moderner Wissensvermittlung mir ins Hirn, eine »Fundgrube«, die im Zweifelsfalle für alle Fragen herhalten muss. Weiß man nichts, macht man sich ebenda via Klick rasch klug! Können Sie hawaiisch? Nicht? Doch, doch: Wiki heißt »schnell« – auf hawaiisch. Und Altgriechisch ist Ihnen auch geläufig: παιδεία, paideia, (Aus-) Bildung, Erziehung … παιδ, Kind … die Griechen unterschieden zwischen Erziehung und Bildung ihrer Kinder nicht … Pedia: Wikipedia ist die moderne Macke, sich schnell zu bilden … Klick – Klug.

Wir lernen dort von einer Lagerbildung der Rose und von Anhängern ›klassischer‹ Rosen und ›moderner‹ Rosen. Spannend wie auf dem Schachbrett! Lagerbildung! Und wir lernen eine neue Vokabel hinzu: klassisch! Rosen der »antiken Klassik«, des »Altertums« sind gemeint? Zeitlich zu kurz gegriffen! Zu übersetzen besser als: mustergültig, vollendet, zeitlos? Könnte passen, wenn diese Nörgeleien an dieser »klassischen Rose« nicht wären. Was also heißt »klassisch«? Leider findet sich hier kein erklärender Link von Wikipedia (wie ansonsten üblich). Spekulieren wir selbst via Synonym: »althergebracht« oder »altbacken«? Könnte passen! »Überliefert«, »harmonisch«, »edel«? Ach Gott, keine Ahnung, was diese »klassische Rose« mir jetzt sein soll.

Vermutlich ist dieses Wort nicht zu denken, sondern zu »erfühlen« … sagen wir für uns einfach: »altbacken …«

Was so alles in meinem Garten wächst! Eine beachtliche Kluft [so Austin] liege zwischen diesen Welten, eine »Kluft« freilich, die – und ausgerechnet! – durch die Vielfalt von Eigenschaften bei tausenden neuer Sorten ad absurdum geführt werde. Tausende neuer Sorten bauen Brücken über diese Kluft. Verstanden? Diese Kluft ad absurdum geführt durch tausende neuer Sorten! Jetzt verstanden? Da ad absurdum von Wikipedia hervorgehoben, leider aber ohne einen Link zwecks Begriffserläuterung angeboten wird, denken wir selbst nach: Schau also einer an, zuerst kommt via Definition und Vokabular aus Amerika diese »Kluft« in die Welt, sodann darf der zeitgenössische Rosenfreund wieder umdenken: dass diese Lagerbildung rund um »Alt« und »Modern« nicht gut sei, um ausgerechnet von dieser Moderne, die diese Kluft doch selbst erfand, als unsinnig, widersinnig, sinn-frei (was der Übersetzung von »ad absurdum« entspricht) enttarnt zu werden: Durch die Vielfalt tausender neuer Sorten! Dieser Werdegang ist einfacher zu lernen als die Vokabel »klassisch«, finde ich: Sprachliche Unsinnigkeiten der Moderne beseitigt die Moderne wieder selbst – durch die neuzeitliche Rosenzucht! Toll, was diese Rosenwelt so alles kann … und für uns und unser Rosenglück einfach macht.

Wir lernen also: das Unsinnige war und ist immer schon zu überwinden (wussten Sie das?) …

… und es ist sogar bei Rosen schon gelungen (da hab ich wohl gepennt): durch die Vielfalt von Eigenschaften bei tausenden neuer Sorten, so muss man Wikipedia immer wieder wiederholen, bis es sitzt. Sie mögen fragen: Wachsen diese Geschöpfe der Moderne jetzt auch »klassisch«? Keine Ahnung, fragen Sie Wikipedia

Wikipedia zitiert allerdings auch nur; nachdenken müssen wir schon selbst: Über Weisheiten aus dumpf bleibenden Vokabeln, die von Bauer und Borstel für uns gewohnter unter »romantische Züchtungen« subsumiert werden, jedoch derart verpackt auch nicht unbedingt erhellend sein könnten … Der Leser aber kann dennoch erleichtert aufatmen. Die hab ich Garten, also diese »romantischen Rosen«! Das »Sinnlose« ist in meinem Garten wohl weg – Gott sei Dank! Was für eine Achterbahnfahrt der Gefühle! Lagerbildung, Kluft, Sinnlosigkeit … Klassik und Moderne! Derlei muss Kopf und Herz erst einmal verarbeiten – und im Garten suchen! »Romantische Rosen« – Gott sei Dank …

Als Quelle dieses Fundus an Informationen dient dieser »Pedia« aber weniger dieses als erster Einzelnachweis genannte Büchlein von Bauer und Borstell aus 2005, dieses Buch sei kaum bekannt, auch nicht der Rede wert! Der zweite Einzelnachweis, ein toter Link zu der-Burggarten.de, ist auch nicht relevant, diente den Wiki-Experten auch bloß als »Beleg« und Quelle für ein einleitendes Zitat, dass diese »Lagerbildung« via Definition von »Alt, Modern« vom Classification Committee und vom Old Garden Rose Committee der American Rose Society und vom Vorstand der ARS gebilligt [wurde]. Mein Gott, offiziell gebilligt! Diese Amerikaner! Jetzt muss nur noch die Rosenwelt mitmachen, dass es nicht eine Rosenwelt gibt, sondern derer zwei! Nein drei: die Wildrosen sind nicht zu vergessen: Wild … Alt … Modern. Eine hübsche Gedankenkette. Wer aber will schon »wilde Rosen« … über die steht auch nichts im Artikel … das Schwert des Vorstandes (welche Vertreter wir da wohl finden werden, würden wir denn dies wissen wollen!) haut in die Rosenwelt, schafft zwei Scheiben … und belebt ein altes Weltbild neu: Die Welt der Rosen ist nicht rund, nein, nein, auch nicht elliptisch oder kartoffelförmig, sie besteht ganz offiziell aus zwei Scheiben … Alt (Kluft) Modern. Belegt von Wikipedia mit einem toten Link. Wieder etwas gelernt.

Der letzte aber der drei Einzelnachweise ist zugleich die erste, einzige und eigentliche Quelle dieses Wikipedia-Wissens: David Austin: Englische Rosen – Tradition und Schönheit, Dumont, Köln 1994, Seite 7–21. Hier wurden offenbar sage und schreibe 14 Seiten von diesen Wiki-Experten gelesen! Nicht vom amerikanischen Komitee, die waren ja schon weit vorher unterwegs und kennen die Scheibentheorie; sondern halt von den Experten der schnellen Bildung: rasch gelesen, zusammengeklaubt, zitiert. Endlos zitiert. Den ganze Text hindurch Verweise auf Nr. 3: David Austin. Ausgerechnet dieser englische Experte für jegliche Verschärfung dieser »Lagerbildung« dient als abschließender Beleg, was die Quelle Bauer und Borstell [ebenso wie Schultheis, Meile / Karl, die einsam und zweckfrei unter »Literatur« geführt werden] ihrerseits ohnehin nur abschrieben und wiederholten: Die Kluft zwischen diesen beiden Arten von Rosen ist beachtlich. Deshalb gibt es heute unter denen, die Rosen kultivieren, zwei Lager - die einen bevorzugen die alten Rosen, die anderen die modernen Rosen. Das ist sehr schade, denn im Garten ist Platz für viele Rosen.

Eben nicht, Herr Austin: Es ist kein Platz in den Gärten, er war noch nie verfügbar, zu keiner Zeit – als ob Sie dass nicht wüssten! Fragen Sie Herrn Hawel, Frau Langenberg oder Müller-Lieschen! Lesen Sie keine Foren? Die kleine Pflanzenscheibe, die Jahr für Jahr da ist, wird vom Mainstream bestückt mit dem, was am besten klingt: öfterblühend, in allen Farben, hübscher Strauch, duftend und romantisch – »im Stil von …«. Wer sich unsicher ist oder gar ungläubig, konsultiert Wikipedia:

Die Kluft … von Rosen … die alten Rosen … die modernen Rosen … (ist beachtlich)

Welche Kluft wollen Sie denn in alle Hirne der Rosenwelt impfen? Als ich ein Kind war, sah ich Rosen … und wahr glücklich … Sie lehren mir Lagerbildung, Klüfte zweier Arten einer Pflanze. In die Welt gekommen via einer beliebigen, in ihrer Motivation fragwürdigen, absurden Definition.

Wir lernen selbst bei Wikipedia: Neue ›Alte Rosen‹ …, die Rosen einer zeitgenössischen Zucht, machen jede Lagerbildung in der Rosenwelt »unsinnig …«. Pflanzt zeitgenössische, romantische Neuheiten, in denen ist alles wieder »vereint« …
Schön, das ich hier kein Marketing herauslese … keine Bedienung eines solventen Zeitgeschmacks … keine Mythen und Märchen … sondern die tiefen Gedanken eines alten Mannes, der 2017 in seinem Gewächshaus steht und visionär links an der Kamera vorbei »gen Himmel« schauen soll. Visionär und Freigeist? Da drück ich mir meine Träne weg und freu mich, dass es Sie gibt …

Für die alten Rosen bedarf es aus Ihrer Sicht der Pflanzenscheibe eines Liebhabers, dem Sie, Herr Austin, an anderer Stelle »Echtheit« attestierten, weil er aus der Warte der Moderne dennoch pflanzt, was Zeitgenossen, insbesondere Sie selbst als Person, längst schon vereint zu haben meinen: »Neue ›Alte Rosen‹«.

Mit dem rhetorischen Schwert im Kopf des Kindes zerschlagen, höflich durch dieselbe Rhetorik der Moderne wieder »vereint«.

Irgendwie werde ich den Gedanken nicht los, dass hier (bei Wikipedia und Co.) der Beelzebub gefragt wird, was er vom Teufel hält … (»Eigentlich ein ganz netter Mensch … und sympathischer Verkäufer …«)

Dieser ganze Quark der Rosenkultur passt auf die Rückseite eines Bierdeckels! Eine Vergewaltigung der Synapsen aller Rosenfreunde und Rosenfreundinnen:

Im 19.Jh. empfahl der Experte, pflanze eine moderne Remontant-Rose, eine neue Art und Klasse von Rosen … heute faselt dasselbe Marktlatein von irgendwelchen Gruppen … offiziell und frei von Scham.

Dümmer kann man Kultur nicht denken …

Ich darf mir die Zwischenbemerkung nicht verkneifen: Mit Rosen, so behaupte ich einmal, hat dies alles wenig zu tun! Viel aber mit unserer Sprache, mit Geschmack und einem inszenierten, fremdgeführten Denken.

Streichen Sie doch einfach probehalber alle diversen »Lagerbildungen« und »Klüfte« aus Ihrem Kopf! Denn:

Diese Wertungen und Allgemeinplätze in Ihrem Kopf sind Schildbürgerstreiche aus der Ordnung der Rose. Und diese Ordnung bedient ihren Markt.

Man könnte auch sagen, der Markt ist der Urheber dieser Schildbürgerstreiche der Klassifikation. Wie Sie es auch wenden: Diese Allgemeinplätze der Rose sind im Kopf, auf dem Markt und durch den Markt sehr erfolgreich.

Eine Ordnung, die uns eine Teilung der Rosenwelt in zwei abstrakte Sammelbegriffe bescherte, die wir in unserer Sprache über Rosen als »offizielle Ordnung« zu verwenden hätten, um am Ende versöhnt zu werden durch das Pflanzen dessen, was Austin und Abschreiber als »Neue ›Alte Rose‹« betiteln. Eine Sprache, die Sammelbegriffe wie zwei Individuen oder Entitäten lehrt, die wir charakterisieren, gegeneinander ausspielen, bewerten und bewerben könnten: Pflanze moderne Remontant-Rosen, die Kluft zu den Gallica-Rosen ist beachtlich …!

Ich darf meine Zwischenbemerkung wiederholen: Mit Rosen hat dies alles überhaupt nichts mehr zu tun! Viel aber mit unserer erlernten Sprache und der mit ihr einhergehenden Denkart, mit Geschmäckern und Marktinteressen.

Was zu pflanzen sei, weiß dieser Markt stets in der Frage, wie man mit marktrelevanten Käuferschichten umgeht; ob barsch über »das Alte« urteilend, wie stellvertretend durch Herrn Grunewaldt, oder charmant um diese »Antiquitäten« herum lavierend, wie es stellvertretend Austin in vorzüglicher Wortakrobatik seit der Erfindung namens »Alte Rose« zeitigt.
Die Zielsetzung aber ist hier wie da dieselbe: Ich male Dir ein Bild der Rose … Du lernst, gibst mir Dein Geld – und pflanzt meine »Neuheit«!

Ich darf eine dritte Zwischenbemerkung anfügen: Nachdem ich aufhörte, von Euch zu lernen, liebe Herren Grunewaldt und Austin dieser Welt, wächst, blüht, fruchtet es in meinem Kopf und Garten prächtig …

Wenn ich retten müsste, was noch zu retten wäre, würde ich mir die Wildrosen als erstes greifen, so viele wie möglich, besser alle, sodann bei deren Abkömmlinge die Hand aufhalten … bei den Rosen unserer Mütter und Väter Ausschau halten … um sodann etwas ermüdet erst einmal zu pflanzen …

Wer mit Rosen sein Geld verdient, muss Jahr für Jahr sehen, wo er steht und bleibt … und notfalls selektieren, was der eigene Acker halt hergibt … taufen, bewerben, verkaufen.

Da mag so manch ein besorgter Zeitgenosse in seine Geldbörse schauen, um sich auszurechnen, was er seinerseits hier noch »gerettet« bekommt …

Die Prägung aber der Rosenkultur erfolgt nicht primär über das hier und da als dominant zu sehende Angebot des Neuheitenmarktes, sondern an erster Stelle mittels der Sprache über Rosen in unserer Kultur.

Wir lesen, bevor wir kaufen und pflanzen. Wir machen uns ein Bild von dem, was wir pflanzen können, was wir pflanzen wollen, was wir pflanzen sollen … wir machen uns vor dem Buddeln eines Loches schlau, was in dieses Loch hinein soll – so gut es halt eben geht.

In diesem Prozess ist der Markt nur ein Vehikel, neben der Literatur, den Medien, den Informationsportalen und Datenbanken, der Sprache über unseren Gartenzaun hinweg. Der Markt ist allerdings ein Vehikel, das die Gestaltung von Geschmack und Garten mehr und nachhaltiger bestimmt, als es uns als »kritische Verbraucher« möglicherweise lieb sein dürfte.

Möglicherweise aber ist uns dieser Einfluss der Sprache, gleich, von welcher Ebene aus betrachtet, auch egal! Denn die Welt der Rosen besteht ja nunmal nicht wirklich nur aus »echten Liebhabern« – oder etwa doch?

Und so manch ein Zeitgenosse liebt regelrecht diese dumpfen, stets aufs Neue umworbene Begrifflichkeiten einer herbeigeredeten »Kluft«: »Alt, klassisch, historisch, Original« – »Modern, verbessert, vereint … mein romantischer Rosengarten«. Jede Vokabel ein Traum …

Fragen wir konkreter: Sind wir (wer immer auch in diesem »Wir« involviert ist) in der Verantwortung, alle Rosen »zu retten«, die dieser Markt uns seit Generationen vor unsere Gartenpforten stellt?

Wir rennen täglich und Jahr für Jahr durch Gourmet- und Discounter-Läden, kaufen von allen Produkten eines, um alle diese Produkte auch ja »gerettet« zu sehen …? Könnte es sein, dass der Markt auch Müll produziert, nur um des Verkaufs willen … Waren, die von dem einen als Ressourcen-Verschwendung verstanden erst gar nicht gekauft werden oder verärgert über den Kauf gleich in den Eimer kommen, vom anderen aber als »Diversität« gesammelt und als »Resource« gehortet werden …

Ich weiß nicht, welche Rose zu retten ist … und ich kenne niemanden, der mir hilft … alle Rosen … so viele wie möglich … eine Auswahl … Wohl aber weiß ich, dass es nicht um diese oder jene Rose geht, sondern um unseren Umgang mit dieser Pflanze. Es ist möglicherweise mehr zu retten als das, was alle Gärten der Welt heute schon pflanzen könnten …

2500 Jahre Kultur kurz einmal umgegraben …

Alles, was der gestaltende Spaten im hauseigenen Garten einbuddelt, ist vorher nicht nur im Kopf und im Herzen desjenigen gewesen, der den Spaten führt: Wie – um alles in der Welt – kommt denn die »geliebte Rose« in unsere Herzen und in unsere Gärten hinein?
Vielmehr ist das Eingebuddelte ein Angebot des agilen, stets sich selbst »neu« erfindenden und definierenden Marktes. Was wir lieben lernen, finden wir dort.

Ist dieser Markt nicht rege, sondern bequem und versäumt es, Jahr für Jahr aufs Neue »Innovationen zu kreieren«, kickt ihn die Liebhaberei weg: Dieser Neuheitenwahn ist gewollt – von allen Beteiligten. So muss man sich nicht wundern, dass dieser Markt mit allen Mitteln bedient, was die Liebschaft hören, lesen sowie pflanzen … und letztendlich noch bezahlen will …

Die (Fach-) Literatur über Rosen ist mitunter nur ein Abklatsch des Marktes …

So hören, lesen, pflanzen wir seit zwei Generationen Alte Rosen. »Alte Rosen«, die wir besonders schätzen oder doch als »unmodern« (als »historisch«) verstehen (sollen). Wir kaufen seit zwei Generationen Moderne Rosen. Wir kaufen seit zwei Generationen einen nostalgisch-romantischen ›Stil‹: Wir kaufen Neue ›Alte Rosen‹. Wir kaufen Vereinigungen, Verbesserungen … (altehrwürdiger) ›Originale‹. Wir kaufen seit zwei Generationen Literatur, deren Lektüre uns diesen Werdegang der Rose anschaulich machen und erklären will. Wir nehmen den Verkaufskatalog zur Hand und studieren die von den Rosenhäusern aus Zucht und Vertrieb selektierten Roseneigenschaften – und bepflanzen aus diesem Geist heraus unsere Böden …

Eine 2500 Jahre alte Kultur wird seit bummelig 50 Jahren in neue Worte gepackt und umdefiniert, marktkompatibel gemacht und unserem Zeitgeist entsprechend.
Die Vorreiter dieser Zweiteilung der Rosenwelt finden wir in einer fragwürdigen Liebhaberei rund um die Blüte eines Sämlings aus dem 19.Jh..
Der Mode der Portland-Rosen folgten die Bourbon, dann die Remontant, sodann die Teehybriden … heute verbacken wir alle Rosenklassen des 19.Jh., einschließlich der China, der Gallica, der Alba und so fort zu einem imaginären, deformierten Klumpen … und pflanzen aus unserer Mode »Romantik, Nostalgie, Rosen im Stil von …« Eine Handvoll Unbelehrbare pflanzen hin und wieder das alte Erbe … Ach ja, wie schön und herzerwärmend unser Blick auf Rosen ist! Alte Rosen, alte Zeiten, neue Rosen …

Weder diese schwärmende Liebhaberei damals, geschweige der Rosenmarkt heute rückt für uns die Rose und deren Vielfalt in unseren Blick.

Wie kann es sein, dass sich seit 1967 eine Generation anmaßt, die Kulturgeschichte einer Pflanze mittels einer dumpfen Sprache umschreiben zu können, die in der Antike begann und in der alle Akteure ihrer Zeit nur Gast sind?

Unser neuzeitlicher Umgang mit einem viel gepriesenen »Erbe« hat dieses Erbe nicht begrifflich fassbarer für uns gemacht, sondern umgegraben. Vor lauter Zweiteilungen in unseren Köpfen verlieren wir aus dem Blick, was wir eigentlich in den Blick nehmen wollen: Rosen.

Dieser Allgemeinbegriff »Rose« sollte nur eine sinnvolle, hilfreiche und gut begründete Zweiteilung in unseren Köpfen erfahren: Naturrosen und Kulturrosen. Zwei brauchbare, sachlich gut begründete und nachvollziehbare Sammelbegriffe. »Alte Rosen« indessen ist Ausdruck einer unverstandenen Sprache und einer noch weniger reflektierten Kulturhistorie, beides mitunter droht, in einer als »blind« beschreibbaren Gartenpraxis zu enden. Rosen sind »modern«, wenn wir sie pflanzen … der Rest ist Rhetorik.

Die tradierte, stets sich erweiternde und begreifbare Welt der Rosenklassen gesellt sich zu dieser grundlegenden Unterscheidung von »Natur | Kultur«. Die einzelnen Klassen verfeinern, was wir grob als »Natur | Kultur« zusammengefasst haben und auch lernbar zusammenfassen können.

Bei den neuerdings kursierenden Rosengruppen indessen werden die Rosenklassen wieder grob gedacht und grob gemacht, indem die eine Seite, die Seite der »Kulturrose«, unter zwei neu erfundene Sammelbegriffe (»Alt | Modern«) geteilt wird. Man könnte auch schreiben: zerteilt wird. Mit jenem Schwert, das auch bei Wikipedia die Gedanken strukturiert [s. Kapitel zuvor].

Das Resultat dieses Schwertes sind »Scheibentheorien«, Lagerbildungen und Klüfte; ausgerechnet diese »Moderne«, die sich selbst liebt und sich gekauft sehen will, behauptet im gleichen Atemzuge, dass deren »Neuheitenzucht« wieder heile, was zuvor von diesen Rhetorikern und Schlächtern eigenhändig zerdeppert wurde: Pflanze »Neue ›Alte Rosen‹« – und alles ist wieder gut … und »vereint«. Hier muss freilich jeder Zeitgenosse aus Zucht und Vertrieb rasch seinen eigenen Marktanteil abstecken: »romantische Rosen … Rosen mit nostalgischen Flair … Märchenrosen …«.

In diesem Kauderwelsch wird man Kreuzungen aus Wildrosen, seien sie aus Menschenhand (Zuchthybriden), seien sie aus der Natur (Naturhybriden), all die Spinosissima-Hybriden, Rugosa-Hybriden, Setigera-Hybriden, die Kreuzungen mit der Weinrose, mit der Vielblütigen, mit der Alpenrose und der Hundsrose verzweifelt suchen müssen: Sie sind in diesem »Alt-Modern-Gerede« nicht einmal mehr als Gewürz dieser Sülze erkennbar.

Dieser Zeitgeschmack fasst groß zusammen, was er noch nicht einmal im Blick hat

Sammelbegriffe und deren Verfechter waren und sind immer schon blind, dumm, irreführend, gedankenarm. Und derlei Sammelbegriffe sind und waren immer schon die ersten und schärfsten Waffen des Schwätzers … des Strategen … des Demagogen …

Einen freien Blick in die Welt der Rosen zu finden, ist schwer.

Kein Wunder, so mag man spöttelnd weiter denken, dass über eine derart marktbestimmte und wertende Kultur, die wir selbst verursacht und zugelassen haben, heute noch rasch und nachträglich jedes x-beliebige »Röslein« vom »Experten« als wertvoll erklärt werden sollte und offenbar erklärt werden muss: Sogar die »Wildrose«! Da kann der zeitgenössische Liebhaber, ob »echt«, ob »falsch«, dann mit seinem schlichten Herz in die Vollen greifen und bald (aus welcher Motivation und aus welchem Verständnis der Dinge heraus auch immer) retten, was er will … halt ein jedes auch noch so sinn-frei charakterisierte oder verstandene »Röslein« von »heute« und »damals«, von »alt« bis »modern« – inklusive dieser wundersamen, alles und nichts vereinenden »Renaissance« unserer Tage. Ach ja, wie schön … alles bewahren und retten … derart einfach war die Welt, in der wir uns bewegen, immer schon!

»Rosen« gibt es seit einigen Millionen Jahren. »Wildrosen« nicht. »Wildrosen« und »Kulturrosen«, die gibt es erst seit einigen Jahrhunderten als der Mensch unterschied, was aus der Natur und was von ihm selbst sei – »Floribunda« gibt es seit der Wende 19./20.Jh. – und Old garden rose alias »Alte Rose« gibt es seit 1967.

Floribunda sind kulturhistorisch älter als alle sogenannten Old Garden Roses zusammengenommen …

Ordnungen und begriffliche Bestimmungen, derlei erfinden wir selbst. Und mir kommt mitunter der Gedanke, dass wir eigentlich gar nicht so recht wissen, was wir hier wie da überhaupt »retten und bewahren« sollen. Rosen? Was ist das denn für Sie, »Rosen«?

»Alte und Moderne Rosen«? »Wildrosen«? »Bunte Floribunda« als Sinnbild von was? Derlei gibt es nur in unseren Köpfen!

Wenn wir Gärtner/-innen nicht lernen, im ersten oder spätestens im zweiten Schritt unseres Gärtnern die Erfindungen namens »Ordnung« selbst zu denken, plappern und pflanzen wir nur wie ein kleines Kind nach, was »Vordenker« für sinnvoll, für zweckdienlich oder für lukrativ erachten … und verlieren das aus dem Blick, was wir doch eigentlich finden wollen: Rosen … und deren Vielfalt. In unseren Gärten und Parks, in der Landschaft … in unseren Köpfen und Herzen.

Was die Sprache rund um »Alt« und »Modern« nicht im Blick hat: Es ist die Vielfalt der Rose … und deren Kultur.

Über die Jahre der Produktion und des Verkaufs von Rosen halte ich es lieber einfach: Eine Rose ist eine Rose. Die eine taugt etwas für meinen Garten, die andere nicht. Die erste behalte ich, die zweite soll woanders wachsen. Alles, was wir nicht selbst hervorgebracht haben, dürfen wir durch unser Tun nicht gefährden: Die sogenannten Wildrosen dürfen wir nicht gefährden. Gefährden wir die Wildrosen durch unser Tun, erübrigt sich jeder Gedanke an einer »Rettung der Rose« …

Der Rest ist Interpretation frei Schnauze – meist dummes Zeugs: Dieses Kauderwelsch der Klassifikation bis zu den Vermarktungsstrategien der Rose durch den Gebrauch diverser Ordnungen ist dummes Zeugs. Weder unsere Ordnung der Rose noch das Geschäft mit ihr sollte unsere Kultur dieser Pflanze prägen. Ein mächtiger Lobbyismus des Marktes sucht fortlaufend nach Wegen, das Bild der Rose in unseren Köpfen zu bestimmen. Das Ziel ist einfach: Pflanzt meine Neuheit! Andere opponieren: Pflanzt die alten Sorten! Beide Positionen kennen gute Argumente – und reden doch nur dummes Zeugs! Als ob dieses beliebige Begriffspaar irgendeiner frisch in die Welt gehauenen Definition »Entitäten zweier Welten« beschreibe! Pflanzt Rosen! Egal, wie ihr sie benennt.[5]

[5] Brauchen wir die großen Rosen-Sammlungen? – Frage nach Erhalt von Sorten … Forum Garten-Pur 2004. Derlei Diskussionen kranken an der Sprache, die Verwendung findet. Von Kant bis zum lieben Gott werden alle Instanzen für die eigene Position bemüht, anstelle einer Besinnung auf das vorgekaute Vokabular.

Notwendig erscheinen mir die Fragen, wie die Reise der Rose in unseren Händen wohl bis heute verlief – und wohin sie geht: Hier mag jeder eine Herausforderung sehen, eigenständig antworten zu können.

Woher also, so sei erfragt, haben Sie Ihre Bilder in Ihrem Kopf, wenn Sie mir »Rose« sagen, mir dieses Wort zu lesen geben – und mir dann sagen, dass diese Rose »zu retten« sei?
Vor wen oder was – um alles in der Welt – »retten« (»bewahren, archivieren, als Gen konservieren, in den Parks der Welt als Bestand sichern …«)?

Unseren Blick auf Rosen prüfen … dies rettet mehr als die »Sicherheitskopie« irgendeiner Floribunda.

Gedanken von Wänninger

Franz Wänninger – Rosen zum Träumen.

Wenn auch die Rose verblüht, sie kommt wieder, sie will sich zeigen. Sie hat ebenso Sehnsucht nach uns, wie wir nach ihr?

Die Rose braucht den Menschen nicht. Gewendet ist es offenbar richtig: Der Mensch braucht die Rose. Gewiss nicht existentiell, gewiss aber als Teil seiner Kultur. Die Vermenschlichung aber der Rose sollten wir lassen, so schön diese Bilder auch seien. Es wäre ein Anfang, unsern Blick zu schulen.

Die Ros‘ ist ohn‘ warum; sie blühet, weil sie blühet,
Sie acht nicht ihrer selbst, fragt nicht, ob man sie siehet.

– Angelus Silesius

Silesius lehrt uns den Respekt vor der Natur der Rose. Keine Rose blüht für uns. Nicht einmal ‘La France’ … oder die ‘Kirschrose’ von Wänninger.

Die größte Gefahr für die Rose sind wir selbst, für diese Pflanze einerseits, anderseits in und durch unsere Kultur mit ihr. Unser Umgang mit dieser Pflanze und unsere Sichtweisen auf diese Pflanze sorgen dafür, dass ein diffuser Rettungsgedanke überhaupt in die Welt kommen konnte – und dieser Rettungsgedanke verzettelt sich in einer unverstandenen Sprache und gestikuliert mit den Fingern bedeutungsvoll in der Welt herum. Ein »Rettungsgedanke« sollte weder blind nach jedem Gewächs greifen, das blüht und irgendwie noch nach einer Rose ausschaut, noch mit anderen ins Gericht gehen, sondern sich selbst in den Blick nehmen und retten, was noch zu retten ist. Der Buhmann ist darüber nicht das Geschäft mit Rosen, was leicht auszumachen wäre, oder diese unsägliche Vermarktung einer Pflanze, eine Vermarktung, die sich anschickt, transgene Pflanzen hoffähig zu machen. Sondern wir selbst sind es, die derlei möglich machen: Wenn wir mit dem Finger auf etwas zeigen wollen, was einem Buhmann gleich kommt, dann auf uns.

Zitatenwelten

Die Geisel der Rosenwelt, so erscheint es mir, je mehr ich über Rosen lese, recherchiere, von ihr höre, ist: das Zitat. Ein Zitat ist gut und hilfreich, es unterstützt den eigenen Gedanken, es belegt ihn. Fehlt der eigene Gedanke, bedarf es keines Zitats.

Rosen-»Pages« des Web, Rosen in Verkaufsportale und Foren, Rosenliteratur und Rosen-Werbung oder die pünktlich zur Hochblüte erscheinenden Beiträge aus »Fernsehen« und »Gartenheft« über eine »Königin«: Es sind Zitatenwelten – oder nicht? Die Orientierung ist einfach: Was ohnehin allerorts als »Rosenkultur« verbreitet wird, all dies darf man dann wohl auch selbst als »Kultur« verstehen und als »Wissen« wiederholen; hier ist Redundanz sogar gewünscht und gewollt; was diese Rosenwelt ausspuckt, wird wiedergekäut. Abschreiben als neue Denkart.[6]

Die Suche nach Beiträgen zur Rosenkultur …

Es ist mir zu viel »Schöngeist« um diese Pflanze herum. Ein arg engmaschiges Märchen-Gespinst. Eine furchtbar verklärend dauer-schwelgende Mythen-Welt. Rosen-Verkauf, Rosen-»Literatur«, Gartenpraxis, all dies beißt sich selbst nicht: Diese durchgehend nebulöse Rhetorik selbsternannter »Poeten« und »Experten« prägt die Kultur einer Pflanze, in der je hauseigenen Kunst, alles auszublenden und zu übertünchen, was dem Herzen der »Königin« einen Stich versetzen könnte.

»Liebhaberei« schwärmt – am liebsten ungestört …

Oder haben Sie schon einmal sach-kritische, geradezu »böse« Beiträge zur Rosenkultur gefunden?
Eben!
Da müssten Sie schon gehörige Abzweigungen bemühen, um im Kontext Pflanzenschutz und Ökologie, Arbeitsrecht und Armut, Wirtschaft und Ethik oder kulturhistorische Tragödien anderer Art Beiträge zu dieser Kultur zu entdecken.

Versuchen Sie einen Einstieg über das Bundesamt für Naturschutz oder zeitgemäß über die Gentechnologie und deren schleichende Vermarktung. Oder lesen Sie gemütlich auf dem Sofa gestreckt wegweisend die Pflanzenschutz-Mittel-Verzeichnisse des BVL mit dem Gedanken, dass diese Listen Jahr für Jahr und weltweit nicht nur an Rosen abgearbeitet werden und bald einen höheren Marktanteil benennen als die Pflanzen selbst.

Also nicht wirklich Neues, auch nicht in der Kultur dieser Pflanze.

Leider nur zu finden auf diesen Abzweigungen, nicht auf der Hauptstraße der Rosenkultur.

Sagen wir es höflich: So manche dieser schnelllebigen »Neuheiten« alias »Raritäten« der agilen Züchter von »gestern« und »heute« gehören öffentlich vor die Fahrspur jenes imaginären Baggers geschmissen … rechtzeitig. Bevor uns diese »Kreationen« aus Zucht und Vertrieb auch den letzten Rest unserer »Gartenkultur« in eine hoffähig gemachte Schief-Lage bringen … um uns am Ende unsere »Königin« als gruseliges Alien komplett um die Ohren zu hauen.

Was bis dato als rhetorisches Wollschwein unter dem Schlagwort »Vereinigung« herumgeistert und vermeintlich harmlos gekauft wird, schickt sich an, (transgene) Präzisionszucht zu werden: Den Genbestand von Pflanzen als »Königin« gebastelt, orientiert am Zeitgeschmack eines nimmersatten Marktes als Ausblick in eine sich schon längst formierende Entwicklung?

Da »rette und bewahre« wahrlich, wer will!

Da schmeiß ich diesen ganzen Marktmüll, insbesondere die schon existente »blaue Rose«, noch nicht einmal mehr auf den Kompost!

Kaufe und »bewahre« diesen Kram doch, wer will …

Eine Kultur, die nur in sich schwelgt, gebärt am Ende Monster …

»Retten«, was zu retten ist …?

Diese vollkommen überstrapazierte »Königin der Blumen« gehört ins nächstbeste, gesellschaftskritische Satire-Heft … samt des nur noch albern um sie herumhüpfenden Volkes …

Hofnarren des Marktes »kreieren« »Königinnen«.

Jonglierend mittels einer unreflektierten Sprache … sodann mit den Bausteinen des Lebens? – wie kleine, einmal alles ausprobierende Kinderhände …

Das Gesindel pflanzt, was der Spaten im Garten hergibt …

Und die »echte Liebhaberei« rettet ihre »Biodiversität« …

Ich darf mich selbst zitieren: Wer freilich die ethischen Leitlinien bestimmt, nach denen diese ›Kreationen‹ menschlichen Kalküls ›erzeugt‹ und nach denen unser nimmersatter Markt gelenkt werden, hinkt, so erscheint es mir, als Thema arg hinter dem her, was technologisch längst schon gemacht wird und in den Schubladen von Forschung bis Konzern als Zukunftsplan schon in Arbeit ist.[7]

[7] [Ebenda. Siehe ferner die Anmerkung zu »Strategien Folgenabschätzung biotechnologischer Verfahren« des Julius Kühn-Instituts.]

Möglicherweise kommt vor jeder Rettung der Rose die Übung des aufrechten Gangs … vor dem Verkaufstisch … im eigenen Garten … bei der Lektüre … und in der Frage, wovor die Rose eigentlich zu bewahren ist.

Was Rosengärtner/-innen aus guten Gründen nicht kaufen, wird nicht weiter produziert – und braucht am Ende auch nicht »gerettet« zu werden …

Es wäre ein Anfang.

Jeder Rettungsgedanke beginnt nicht bei einer »Floribunda«, sondern bei den Rosengärtnern/-innen … und endet über den Vertrieb bei der Zucht. Nicht umgekehrt. Die Zucht kann nichts anderes als zu züchten, der Markt kann nichts anderes als zu produzieren, zu bewerben und zu verkaufen …

Üben mag man diesen aufrechten Gang bei der Lektüre des folgenden Links mit Querverweisen über Gentechnologie im Zierpflanzenanbau, aufgeführt als Fussnote unter: »Der Duft der ›Alten Rosen‹« – Werbelatein und Gentechnologie bei Rosen.

Da steht die »Königin« einmal profan neben Chrysanthemen, Nelken und anderen Gewächsen der Liebhaberei …

Die zu entnehmenden Antworten aus der Linkliste, wohin die Reise unserer Rosen- und Gartenkultur geht, mögen einen gewissen Schauer hervorrufen – mit der Konsequenz, die eigene Haltung in und zu diesen Zusammenhängen zu überdenken.

Wie also wäre es einmal mit einer Webseite, die solcherart Themen aufgreift, die eigene Haltung klar benennt und zur Diskussion anbietet? Rosenkultur ohne Schwelgen? Es würde uns, unseren Gärten und Parks, der Landschaft sowie der Natur, überall dort, wo wir unsere Kultur betreiben, gut tun …

Mit Verlaub, eine zarte, redundante Zwischenanmerkung: So manche Rose würde ich mit Schwung vor die Fahrspur des nächstbesten Baggers schmeißen … und die Rettung bei denen ansetzen, die so manche Rose pflanzen … vertreiben … und züchten.

Rosenmarkt prägt Rosenkultur …

… diese Prägung gilt es zu erkennen und zu minimieren … und dies geht nicht ohne Kritik an der Liebhaberei.

Die Angebote des Marktes sind Produkte, keine Kulturgüter. Was Kulturgut ist oder werden soll, bestimmt die Geschichte, bestenfalls wir selbst.
Der Markt will verkaufen; das ist sein Job – er will keine Museen bestücken und auch nicht Gärten, Parks sowie Landschaften »gestalten«. Das ist unser Job. Was sich verkaufen lässt, produziert der Markt … notfalls erfindet der Markt die Nachfrage, um seine Produkte verkaufen zu können. Das Kaufen aber, das ist wieder unser Job …

Und es wird gekauft, notfalls alles, was die Geldbörse hergibt …

Ich darf orakeln, was als Nelke seit zwanzig Jahren schon vertrieben wird, macht vor der Rose keinen Halt; wir werden transgene Rosen in unsere Gärten und Parks holen, ein Gemenge aus Stiefmütterchen, Maßlosigkeit und Gier – und wir werden dieses Gemenge »Königin« nennen … unsere »Liebhaberei« wird diesen Weg ebnen und ihn mitgehen … ob bei Nelke, Chrysantheme oder Rose.

Möglicherweise, so mag man hilflos erfragen, ist die eine oder andere »Rose« heute nicht nur genetisch, vielmehr in deren Betrachtung schon derart degeneriert, dass Zucht und Vertrieb ihre derzeitigen Geschöpfe auf irgendeine Blüte für den Katalog reduzieren müssen, um noch irgendwie »florieren« zu können.

Das Einerlei des Laubes »moderner Gartenrosen« stehe stellvertretend für die Langeweile, die aufkommen muss, wenn der ungeübte Blick der Liebelei von der Blüte abwärts zur Pflanze wandert.
Bei Führungen rupfe ich gern das Laub diverser Sorten dieser »modernen Gartenrosen«, mische es in den Händen und stelle den Gästen die Aufgabe, sie mögen dann bitte das jeweilige Laubblatt wieder der entsprechenden Sorte zuordnen. Ein unlösbares Puzzle für den sinnlosen Zeitvertreib!

Mitunter lese ich danach die Beschreibungen der Sorten aus dem Hauskatalog aus Zucht und Vertrieb … und frage nach: Entspricht das Ihrem Bild von einer Rose?

Mit diesem Eindruck geht´s zur ‘The Bamboo Rose’ und zur ‘Kastanienrose’, zur “Hechtrose”, zur ‘Cerise Bouquet’ … Da staunt so manch ein Rosenfreund, wie leicht dieses Laub-Puzzle doch sein könnte …

Rosen wie ‘Magnifica’, ‘Bourgogne’, ‘Paula Vapelle’ oder ‘Moje Hammarberg’ verweisen auf weitere mögliche Kulturformen …

Blütengehölz, Fruchtgehölz, Schutz- und Nährgehölz, Formgehölz, heimische Pflanze, seit Generationen für Arzneischrank und Küche gut, für Leckereien aller Art, duftend im Blütenkelch, im Laub, robust, frosthart, pflegeextensiv, formschön.

Für nicht wenige meiner Gäste ist dieses Bild der Rose vollkommen unbekannt. Sie können mir gar nicht sagen, was sie noch als Rose verstanden haben – und was hier »zu retten« sei …

Das Bild der Rose des Marktes indessen ist einfach: Blüte. Über diese schlichte Betrachtung der Rose leben wir heute mit einer Zweiteilung in der Ordnung, kennen »echte« Liebhabereien eines diffus gemachten »Alten« und maßen uns an, anhand einer Blüte den Wert und die Schönheit der Rose zu benennen.

Dieses ärmliche Bild einer Rose »rette« ich mal nicht …

Nach gierigen und ängstlichen Markt-Kalkülen manipuliert, auf der Grundlage einer Handvoll Wildrosen, ist diese heutige Inzucht von Blütenformen und -farben kaum mehr mit einem guten Gefühl und Gewissen als eine Pflanze, geschweige denn als die Königin der Blumen anzusehen. Sagen wir es bitterböse:

Innovative Zuchtlinien …

So manche wahrlich innovative Zuchtlinie im stillen Kämmerlein zuckt vor dem solventen Mainstream eines selbst erfundenen und gepflegten Marktes zurück – und wächst bestenfalls kümmerlich im Verborgenen: Was sich mutmaßlich nicht verkaufen lässt, wird erst gar nicht angeboten – oder endet als Nebenarm der Ahnentafel der Rose, weil es sich kaum mehr verkaufen lässt.

Aus dem Blick des Marktes rettet und bewahrt hier niemand … Da machen sich leider die vermeintlich waghalsigen Bemühungen rund um die tatsächlich jüngst neu in die Zucht und auf den Markt eingebrachte Hulthemia persica nicht besser: Hübsche Blüten mit Geranium-Auge für den Katalog. Mehr halt nicht.

Inwieweit dieser Markt Ihren Garten prägt, durch das Wort und durch die Pflanze, dies bliebe berechtigt zu erfragen und eine große Aufgabe, will man »Geschmack« finden – und den Garten aus einem gesunden Herzen heraus selbst gestalten, ohne die Welt um den eigenen Garten herum aus dem Blick zu verlieren. Sagen wir es pointiert und beispielhaft: Die »Beetrose« des »Online-Shops« in Ihrem »Beet«? Da könnte es schon passieren, dass Sie eine Rose mit einem Begriff verwechselt haben und die Angebote des Marktes mit der Gestaltung Ihres eigenen Grüns. Es gibt keine »«Beetrosen« (…), sondern Rosen, die Sie in Ihre Scholle pflanzen können.

Markt prägt Gartenkultur: unsere Sprache über Pflanzen und unseren eigenen Geschmack. In Wort also und Tat. Ob wir das sehen wollen oder nicht. Wir orientieren uns an dieser Vermarktung der Rose. Und wir vergessen mitunter halt, dass dieser Markt nicht gestalten, sondern verkaufen will.

Das Geschäft mit Rosen macht es einem wahrhaft nicht leicht, seinen eigenen Geschmack zu finden, eine verständliche Sprache über Rosen zu sprechen und beides zu pflegen …[9]

[9] Was einem der »Onlineshop« und der Handkatalog schon nicht leicht macht, dies gilt leider Gottes insbesondere und verschärft für manche »Literatur«, die als bild- und wortgewaltiger Foliant mitunter nur ein (teuerer) Verkaufskatalog in Buchformat ist. Alte und Englische Rosen stehe exemplarisch für eine der gruseligsten Lektüren unserer Zeit … Was in solcherart Büchern als Sprache der Rosenkultur auftaucht, macht mehr und nachhaltiger Schaden in unseren Köpfen als aller Sternrußtau der Welt an unseren Pflanzen. Wir sollten diese Art Literatur meiden, anstatt sie zu zitieren, sie auseinandernehmen und deren Unredlichkeit und Hybris erkennbar machen, dieses Inszenierte, Berechnende, Dumpfe, anstatt sie als wegweisend zu adaptieren in einer viel zu bequem gewordenen und sich viel zu sehr selbstgefallenen »Rosenkultur«. Das ausgerechnet Austin mit seinen wohlfeilen Sätzen bei Wikipedia für die Beschreibung »Alter« und »Moderner« Rosen bemüht wird, ist ein Armutszeugnis und eine Schande. Dieser Mann ist der Antipol für einen kulturbewussten Umgang mit Rosen und hat mehr Schaden gemacht in der Sprache und für unsere Sichtweisen auf Rosen als alle seine sogenannten Nachahmer zusammen.

Ausgehend von den marktorientierten Selektionen der Zuchtbetriebe, über die Rückenspritzen der Produktion und des Vertriebs bis in die »Gartenkultur« der Liebhaberei hinein, bis zur omnipräsenten Zitatenwelt des Marketings rund um Rosen: Es sei der Rose einmal nachgespürt. Da könnte der Eindruck bleiben, dass das schöne Wörtchen »Kultur« bei der Rose unglücklich sein müsste.
Wer auch nur mit einem blinzelnden Auge annähernd verfolgt, was im Namen dieser hochgehaltenen »Rosen-Kultur« so alles Jahr für Jahr geschieht, vom Acker bis in die Gärten und Parks in Alle-Herren-Länder, kann die Liebschaft zu dieser Pflanze gänzlich verlieren. Beispiele, die einem das Pflanzen verleiden, mag man ebenda lesen – oder selbst finden.

Unserem Dauer-Schwelgen einmal trotzen!

Sie können natürlich auch »Rosen retten«.

Retten, was man noch bezahlen kann …

Die Züchter selbst indessen machen es uns vor, wie »Wertvolles« gefunden und erhalten wird, wenngleich ungewollt und notgedrungen sowie im Ergebnis mangelhaft: Was aus der Selektion aus hunderttausenden Sämlingen nicht brauchbar, nicht marktkompatibel, nicht zeitgemäß erscheint, wird kompostiert oder aufgebrannt. Allenfalls für die hauseigene Zucht »bewahrt« und weiter verwendet. Im Verkauf ist das Verfahren ähnlich: Was von den Züchtern doch auf den Markt kommt (gleichsam »trotzdem«), sich aber leider nicht verkaufen lässt, wird am Ende halt verkaufsseitig entsorgt; entsprechend auch nicht erneut vermehrt. Produkte, die nicht gekauft werden, werden nicht weiter produziert. So funktioniert der Markt. Hier fegt der Züchter mitunter sogar seine eigenen Sorten vom Verkaufstisch …

Hier mag der Liebhaber »retten«, was er noch bezahlen kann …

Versuchen Sie, eine »gute alte Sorte« vom jeweiligen Züchter selbst zu beziehen! Ihr Anfrage lässt Sie berechtigt hoffen, dass Eltern doch ihre Kinder lieben – ein Leben lang! Mit Verlaub, ein zu schlichtes Gemüt, das Sie da umtreibt: Der Neuheitenmarkt und Ihr Züchter haben keinen Platz für solche Liebhabereien! Bestenfalls bekommen Sie eine höfliche Empfehlung, wo Sie möglicherweise diese Sorte noch bekommen könnten … mit der für Sie unleserlich gemachten Anmerkung zu Ihrer Anfrage, »da ist wieder einer, der meint, dass die Güte einer Rose deren Vermarktung bestimme«.

Mag also der naiv-schlichte Rettungsgedanke der Liebhaberei auch über diese Äcker der Züchter und deren Verkaufstische noch so traurig schweifen: So manch eine »getaufte Rose« des Marktes erscheint der Liebelei möglicherweise sogar weniger wert, erhalten zu werden, als einige jener Sämlinge, die schon früh vom Züchter selbst aussortiert wurden – und somit auch nie dieses Auge der Liebhaberei erreichen …

Rosen sind Geschäft – mitunter gnadenlos in Hinblick der Kultur dieser Pflanze auf einen durch-kalkulierten Markt geschmissen. Ich halte es für ein großes Missverständnis, in jeder Rose – furchtbar verliebt – ein »Artefakt unserer Kultur« sehen zu wollen.

Rosen sind Waren – »Kulturgut« und »Antiquität«? Mitunter allenfalls »Shabby Chic«, Nippes, ein Haufen Plastikmüll um Kroppzeug mit irgendeiner Blüte … für Muttertag, Krabbeltisch, wintermüden Zeitgenossen und Träumern

Vor die Bagger des Marktes werfe sich, wer will …

Rosen prüfen – und aussortieren?

Man soll züchten, aber man soll nicht wertloses Zeug auf den Markt werfen und als besonders gut oder neu empfehlen.
Wilh. Gillemot im Jahr 1895.[10]

[10] Rosen-Zeitung (…), Lambert 1895, Buch: S. 83f., (Archiv: S. n105f).

Dass nicht jede Rose auf die Verkaufstische weltweit und damit auch nicht in dieselben Gärten weltweit gehört, kam in der Kultur der Rose immer wieder einmal auf den Tisch – und war schließlich auch eine der Motivationen der ADR Mitte der 1950er Jahre. Ein Ansatz für eine Prüfung von Rosen, entwickelt aus ernstzunehmenden Gedanken deutscher Züchter-Werkstätten selbst: Allgemeine Deutsche Rosenneuheitenprüfung.

Selbstverständlich wird nicht ungefragt und auch nicht rückwirkend »geprüft«: Die Züchter müssen ihre aktuellen Neuheiten schon einreichen. Viele Rosen sind es in Anbetracht des Marktes pro Jahr nicht. Die teilnehmenden Nationen und Züchter zähle man an einer Schreiner-Hand. Da prüfe ein jeder den international agierenden Markt besser selbst … einschließlich die weltweit kursierenden »Güte-Siegel«. Marktrelevant ist all dies nicht. Dies mag man an einer schnöden Zahl ablesen: Seit Aufkommen der ADR liegt die Anzahl der ADR-Rosen unverändert um die 120 Sorten. Pflanzen können Sie theoretisch einige tausend Arten und Sorten …

Die mithin nur beispielhaft zu verstehenden (international unterschiedlichen) Prüfungen von Rosen können alleine nicht bestehen; so auch nicht das ADR-Gütesiegel. Die Allgemeine Deutsche Rosenneuheitenprüfung – und unser Sortenbewusstsein gehören zusammen gedacht: Eine Prüfung der Neuheiten von Seiten der Züchter – und unser Sortenbewusstsein. Letzteres ist wichtiger.

Das ADR-Zeichen sollte der Rosenfreund für die Kultur dieser Pflanze entsprechend nicht überbewerten, es hat bestenfalls eine Signalwirkung; es macht als Zeichen höflich und (werbe-) wirksam aufmerksam auf die Problematik von Zucht und Vertrieb – auch über den deutschen Raum hinaus. Es formuliert letztendlich den Aufruf für ein allgemein kritisches Sortenbewusstsein: bei den Zuchtbetrieben, den Gärtnerinnen und Gärtnern weltweit. Und zu diesem vielseitigen Bewusstsein über die Kultur der Rose gehöre am Ende die Einsicht in alle Köpfe gepflanzt, dass Rosen mitunter beliebige, ja selbst von Zucht und Vertrieb selbst in Frage gestellte Artikel eines hart umkämpften Marktes sind, waren und es auch immer bleiben werden, sobald wir einen Euro zur Hand nehmen.

Möglicherweise nun doch zu anspruchsvoll gedacht, impliziere das ADR-Zeichen den Gedanken: Kaufen Sie robuste Rosen, um der Kultur dieser Pflanze willen …

Was in unseren Köpfen ist …

Also, ich wenigstens würde mich für ein »Papiertaschentuch«, gleich, welch großer Name damit verbunden wird, oder für »Zahnseide, Automobile« oder sonstige Produkte gewiss nicht per se vor irgendwelche Bagger schmeißen, mögen diese und andere Produkte auch gut aufgehoben sein in irgendeiner Sammlung, in einem themenübergreifenden Museum oder im Archiv der firmeneigenen Produktentwicklung …

Der böse Rosenbauer, der ich mitunter bin, sagt zu ‘Martin Liebau’: Wenn Du keinen Garten in der Welt findest, wo Du wächst, ich kompostiere Dich weg. Du gefährdest meine Rosen, die neben Dir wachsen und wachsen wollen – und wachsen sollen. Mit einem Gärtnern, das niemals wider der Natur auch nur einen Handschlag macht. Für Dich und für Deine Kollegen habe ich bei mir einfach keinen Platz … So wenig, wie ich bereit bin, für all diese »Kreationen« des »Neuheitenmarktes« so mancher Rosenpoeten aus Zucht und Vertrieb bei mir mühsam Jahr für Jahr ein weiteres Loch zu buddeln, um zu »retten und zu bewahren«, was diese Poeten morgen am liebsten selbst entsorgt sehen wollen, weil deren jüngste Selektion des Jahres auf diesen Markt drängt und in meinen Garten will …

Rosenmarkt ist nicht gleich Rosenkultur – da erscheinen mir in der Tat unerkannte Vermischungen in dieser Welt herumzugeistern, die der Kultur dieser Pflanze ernsthaft, weil dauerhaft schaden, angefangen bei der unsäglichen, »modernen« und sich schon längst etablierten Sprache über unsere Rosen. Eine Sprache, die sich selbst nicht versteht, die aber vermarktet, verkauft und gekauft, ja geliebt wird. Eine Sprache, die jeder »echte Liebhaber« als Vorbote für Technologien verstehen sollte, die »Vereinigungen« nicht mit Worten basteln, sondern mit Genen …

Was in unseren Köpfen ist, kommt über kurz oder lang auch in den Garten …

Um dem Mainstream, der bis heute für uns Rosenkultur definiert, kritisch zu begegnen und der verrückt gewordenen Praxis wirksam etwas entgegenhalten zu können, bedarf es wohl einer weiteren Generation …

Ich »rette« nichts und niemanden – pflanze lieber Rosen … und vermittele die Kultur einer Pflanze, eines wahrlich schönen, erhaltenswerten Gehölzes, wo immer es geht …